Roadmovies Richtung Norden

Von Dreien, die nach Hause fahren.

Sag es durch den Staub

Sag es durch den Staub

Da ist er, der Moment, an den ich vor einem Urlaub immer ganz kurz denken muss. Dieses *schnipp* – und alles ist vorbei, diese Sekunden, die mir in all der Vorfreude noch so wahnsinnig weit weg vorkommen, obwohl ich genau weiß, dass ich an eben diesem Moment in die andere Richtung blicke und denke, wie lange die Vorfreude, ja wie lange allein der Hinweg nach Paris schon wieder her ist. Zeit ist etwas sehr Seltsames. Das macht mir ein bisschen Angst. Geschickterweise haben wir auch unsere Heimwege so geplant, dass in der Nähe von Bourg en Bresse noch eine Übernachtung bei unseren durchgeknallten französischen Freunden nebst identisch alten Kindern anliegt. Moi, l’aspirateur du vin. Alors, Deckel auf, alles rein und rauf da und vollgetankt!

Packen ist doof.

Der Platz ist geräumt

Der Platz ist geräumt

Vor allem, wenn man so packen muss, dass in einer (wenn auch recht großen) klassischen Stufenhecklimousine drei Menschen Platz zum Schlafen haben sollen. Neben all dem Gepäck. Der geschrottete Pavillon ist schon in den großen Abfalltonnen des Platzes hier in Cavalaire sur Mer versenkt, jetzt gilt es, Schlafsäcke und Kofferkrams so zu versenken, dass nicht allzuviel wieder hinten auf dem Decken festexpandert werden muss. Ich lasse meine Mädels das Gepäck mit dem ganzen Körpergewicht komprimieren, die Luft aus dem Strandkrams rausdrücken und packe selbst (den Überblick behaltend) lieber allein alles ins Auto. Das habe ich in den letzten 10 Jahren gelernt, denn Kombi? – Braucht man nicht!

Wir wollen nicht weg...

Wir wollen nicht weg…

Traurigkeit. Ich kann ganz schlecht loslassen, mich nur ganz schwer verabschieden. Bei aller Freude auf Zuhause, bei aller Sehnsucht nach meinem Schatz und bei allen lustigen Optionen heute Abend noch bei unseren langjährigen internationalen Freunden ist in meinem Herzen immer ein kleines bisschen Wehmut, wenn Dinge zu Ende sind. Das ist klassischerweise bei einem langsam zu Ende gehenden, schönen Urlaub noch wesentlich schlimmer. Hm. Und jetzt ist er da, der Moment. Geliehenes Verlängerungskabel wieder abgeben, ein mittleres Vermögen in bar und ohne Abzüge (plus Strom) an der Rezeption berappen und ein letztes mal den vierstelligen Code der Schranke eintippen. Piep. Au revoir, Cavalaire sur Mer, es war großartig hier!

Der Tankwart ist mein bester Freund

Der Tankwart ist mein bester Freund

Meine immer und überall anwesenden Schicksalsengel der blendenden Unterhaltung enttäuschen mich auch diesmal nicht, als ich die Tanksäule nicht zum Fördern überreden kann. Knopf drücken. Kommt nix. Error. Der freundliche Herr an der weit entfernten Kasse resettet alle Sicherungen uns bittet mich, es noch einmal zu versuchen. Wieder an der Säule (die Schlange der tankwilligen Gasverbrenner wird länger) sehe ich, dass ich die ganze Zeit den roten NOT AUS Knopf mit dem grünen Förderknopf verwechselt habe. Oups. Wie unangenehm. Aber auch jetzt fließt nur ein halber Liter in meinen komplett leeren 80-Liter-Tank! Und was macht der Franzose im nächsten Auto? Anstatt zu schimpfen, steigt er aus, rüttelt hier, wackelt da und drückt dort – und plötzlich fließt das eiskalte Gesöff. Dankbar möchte ich meine Hand auf seine legen, um ihn am nun funktionierenden Förderknopf abzulösen, aber er winkt lachend ab. Das bringe er nun auch zu Ende, sagt er. Mensch, wann habe ich das letzte mal einen Tankwart gehabt? 😀

Vive la France

Vive la France

Das ist Michel. Michel hat gerade seinen gut bezahlten Managerjob an den Nagel gehängt, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Nun gibt er Verkaufstrainings an einer katholischen Privatschule, 15 Stunden in der Woche, und ist nicht mehr wohlhabend, aber extrem glücklich. Wieder einmal bin ich heute gezwungen, ausschließlich Französisch zu sprechen. Er kann nur „Ja ja isch weiß„, und wehe, Franzosen sprechen Englisch… da verstehen Sie dann noch weniger. Doch irgendwie, mit Händen und Füßen, geht das mit dieser Sprache. Während er den Grill hoch mit Brennholz bestapelt, um anschließend (wie immer) das gesamte Grillgut und die halbe Umgebung unkontrolliert in Flammen zu setzen trinken wir Bier und Martini und sprechen über Themen, die schon auf Deutsch nicht die einfachsten sind 🙂 Nach 4 Jahren nicht gesehen haben wir alle eine Menge zu erzählen…

Freunde in Frankreich

Freunde in Frankreich

Immerhin werde ich ein bisschen von meiner Großen unterstützt, die in der Schule Französisch lernt (und mich schon in Saint Tropez davor bewahrt hat, 50 statt der benötigten 15 Briefmarken zu erwerben). Okay, ich langweile Sie nun allerdings nicht mit gesprächsintensiven und landschaftlich wie architektonisch schönen Marktbesuchen, Nasenbluten, Kaffees in Billard-Pubs und Harry Potter auf Französisch (Hogwarts heißt hier Poudlard, muuuhahahah 😀 😀 :-D). Die selbstlose Gastfreundschaft dieser vier lieben Menschen ist unübertroffen, und ich freue mich, nach so vielen Jahren noch immer hier und da Kontakt zu ihnen zu haben! So. Vier Uhr am Samstag, schon wieder vier Uhr. Wie auf dem Hinweg, nur diesmal nicht mitten in der Nacht. Und ab dafür.

Beachten Sie die Entfernung!

Beachten Sie die Entfernung!

Es sind diese Kilometerangaben rechts unten in meinem Lisa-Navi, die mich manchmal verzweifeln lassen. Da gebe ich „Heimatort“ ein, und die Dame rechnet und rechnet (das ist schon mal nicht gut), fragt mich dann, ob ich Mautstraßen vermeiden möchte (nein) und orakelt mir anschließend Entfernungen und Fahrzeiten (10:19 Stunden), die ich eigentlich gar nicht sehen will. Wenn wir keine Pause machen (haha), sind wir kurz vor halb drei da. Aber sei’s drum, die ganze Nacht liegt vor uns, mit schön wenig Verkehr und viel entspannter Musik im CD Wechsler. Und wenn ich irgendwann müde werde fahre ich einfach auf einen Rastplatz und schnarche ein paar Stunden im Liegesitz. Ich habe ja sauber gepackt, das sollte also gehen.

Autobahn? Hier???

Autobahn? Hier???

Doch bevor ich endgültig das Gas immerhin bis 130 km/h durchtreten darf schickt uns Lisa wieder mal durch Gegenden, die noch nie zuvor ein Mensch betreten hat. Ich finde das immer wieder faszinierend, jedes vernünftige Bauchgefühl WEISS einfach, dass es irgendwo einen besseren und schnelleren Weg gibt. Aber nein, die Dame sagt wo es langgeht, und das anzuzweifeln wäre in Ermangelung von weiteren Straßenkarten unklug. Also poltern wir über ein paar schmale Betonpisten, durch Naturschutzgebiete und dichte Wälder. Ein scheues Reh äst am Wegesrand.  Ein Bussard zieht seine Kreise. Bis irgendwann inmitten der Einöde plötzlich und unvermutet die absurde Behauptung aufgestellt wird, in 1000 Metern befinde sich eine Autobahn. Lachend mache ich ein Foto. Und bin 1000 Meter später auf einer Autobahn, dazu noch auf der richtigen! Ich mag Navigationssysteme. Sie würzen den Weg.

Die Rücktänzer

Die Rücktänzer

Sie erinnern sich vielleicht an den Hinweg? Der Rückweg gestaltet sich ähnlich. Eine müde und ständig gähnende Große, eine übermüdete und daher pausenlos vor sich hin plappernde Kleine, ein lachender und gut gelaunter Sandmann und im Wechsler die grandiose CD Clandestino vom Splatter-Ethno-Papst Manu Chao. Gekauft auf dem besagten Markt in Bourg en Bresse. Egal. Der alte Audi V8 rollt und rollt, und der französische Wetterbericht erzählt uns von herannahenden Regengebieten bis runter an die Côte d’Azur. Alles richtig gemacht. Und schon nach nur drei Stunden erscheint der Grenzübergang Mülhausen am Horizont und entlässt die drei Reisenden in deutsche Landen (Baden Württemberg), deutsches Wetter (Regen und 16 Grad), ein deutsches Mobilnetz (Vodafone.de) und – in deutsche Staus!!!

Rückstau in Allemagne

Rückstau in Allemagne

War es nicht VÖLLIG klar??? Da fahre ich zwei Wochen und mehrere 1000 Kilometer durch Europa, an den überlaufenen Mittelmeerküsten entlang, Bergpässe rauf und runter und durch touristisch erschlossene Innenstädte, und nix staut sich nirgends. Und nur ein paar Kilometer hinter der Grenze steht alles. Steht. Warum? Weil man irgendwo auf der A5 beschlossen hat, am Wochenende eine Brücke abzureißen. Also erst von zwei auf eine Spur zurückführen (doof), diese eine dann vor der abzureißenden Brücke auf die Ausfahrt zu lenken (noch doofer) und diese Ausfahrt dann ohne Umleitungsschilder an einer T-Kreuzung mit roter Ampel enden zu lassen (totaler Wahnsinn). Ja sind die denn nicht ganz dicht? 12 Kilometer an einem Samstag Abend in den Sommerferien. An einer roten Ampel. Soweit zur Prognose „Wir sind irgendwann heute Nacht zu Hause„. Pha. Nerv!

Strecken und Dehnen

Strecken und Dehnen

In die Nacht reinfahren. Großartig. Nach gefühlt 42 weiteren Baustellen auf eben jener A5 haben wir bald wieder die gut ausgebaute und fast menschenleere A7 unter den Reifen des Audis und finden auch die gute Laue wieder. Recken und strecken alle zwei Stunden sowie Kaffee und Cola wirken bei mir außerdem Wunder. Ich bin glockenwach und gleite mit 140 durch den Hessischen Nieselregen. Zwei CDs mit deutschen Schlagern aus den 60ern treiben mir im Dreiminutentakt Tränen vor Lachen in die Augen und ich bin froh, dass meine beiden Mädels irgendwann friedlich zusammengerollt in ihren Schlafsäcken schnarchen. So ein Big Mac Menü bei den goldenen Bögen ist ein prima Schlafmittel. Ich selbst werde und werde nicht müde. Kennen Sie das? Irgendwann steht dann da als verbleibende Zeit nur noch 2 Stunden auf dem Display, und schwupps – hat man doch gar kein Bedürfnis mehr nach Schlaf. Auch nicht, wenn es schon 3:00 Uhr Morgens ist und sogar die Radiomoderatoren unzusammenhängenden Schwachsinn brabbeln…

Regen in Kiel...

Regen in Kiel…

Aus der Nacht wieder rausfahren. Rein und raus habe ich noch nie gemacht. Um 4:00 Uhr wird es wieder hell, und NDR2 beglückt uns nach zwei Wochen mal wieder mit Nachrichten. Die schlafende Tochterschaft erwacht langsam und fragt murmelnd, wo wir denn seien. Mit Hamburg hatten sie wohl noch nicht gerechnet 🙂 Wir erreichen Kiel um 5:00 Uhr, es nieselt leicht und ist unangenehm kühl. Ich werfe der leise pöbelnden Katze noch ein paar Brekkis in den Topf (die soll gefälligst warten, bis sie dran ist), und wir drei lassen den Audi und das Gepäck nun noch mal in Ruhe. Kissen schnappen und ab ins herrlich bequeme Bett. Das hat ein bisschen was von Partyheimkehren, und so ähnlich fühle ich mich auch und kann noch nicht gleich einschlafen. Irgendwann sacke ich aber weg und träume von einer gleißenden gelben Sonne, von grünen Pinien auf weißen Felsen, von blauem Himmel und türkisem warmem Wasser. Und von ganz weit entfernt höre ich die Holländerin den alten Song von Neil Young singen, mit rauchiger Stimme, und die Melodie verschwindet leise in den Wellen.

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

9 Antworten zu Roadmovies Richtung Norden

  1. Daemonarch sagt:

    Ihr seid echt die süsseste Chaostruppe, die ich kenne!
    Über euch sollte man eine dokureihe machen, scheiß auf Ozzy, bozzy und co!

  2. calimero sagt:

    Lieber Sandmann,

    du hast mit diesem nun abgeschlossenen Reisebericht in mir wieder mal Sehnsucht nach dem Süden und den Wunsch nach einer kleinen Familie, mit der man so lustige Reisen machen kann, geweckt. Ich glaube ich mache in diesem Winter mal Nägel mit Köpfen, ich habe da so was im Auge 🙂

    Gib uns mehr zu Lesen!
    Abel

    • Sandmann sagt:

      Nägel mit Köpfen, wie? 😀
      Ach wenn das doch so einfach wäre…

      Aber meinen Segen hast du! Tolle Frau: festhalten aber Freiheiten lassen. Kinder: Super, gern mehr als ein. Reisen: großartig, mal mit allen zusammen, mal nur mit der tollen Frau. Das Leben ist schön.

      Sandmann

  3. Daemonarch sagt:

    Du hast was im Auge? Nicht reiben!!! 😉

  4. SteffenG sagt:

    Oha,

    bist Du also einmal mehr hier bei mir vorbei gefahren ohne anzuhalten.
    Ok, es wäre recht spät gewesen…

    Auch wenn ich dieses Jahr wieder ein Luftfahrzeug für meinen Urlaub nutzen werde, ich freu mich drauf. Mitten ins Mittelmeer! Ich könnte jetzt schon los, Dein Bericht hat Lust auf Meer gemacht…

    Steffen.

    • Sandmann sagt:

      Ay Steffen,

      freut mich, dass es dir schmeckt! Das Mittelmeer ist einfach großartig. 🙂

      Parallel denke ich über eine Blogger-Tour von Norden nach Süden nach, 10 tage oder so, und jeder von euch muss mich eine Nacht beherbergen 😉 DAS wäre doch mal ein Spektakel der ganz besonderen Art *aufdräng*
      Allein – mit fehlt der Urlaub…

      Sandmann

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