Wie in Abrahams Schoß

Bereit für die sichere Reise?Mir träumte, ich sei ein Reisender. Vielleicht bin ich Außendienstmitarbeiter einer gut gehenden Firma, vielleicht bin ich Vorstandsmitglied mit Flugangst, vielleicht habe ich einfach viele bundesweite (europaweite?) Standorte und möchte diese regelmäßig abfahren. Komfortabel, schnell, sicher. Was würde ich mir wünschen, um mich herum, in meinem Auto? Was brauche ich wirklich und was nicht? Was ist auf selbstgefahrenen, langen Reisen sinnvoll, und worauf kann ich durchaus verzichten? Ich bin der Steuermann in einer 5,18 Meter langen Chauffeurslimousine. Nach fast 2 Woche in einem voll ausgestatteten BMW 750 Li und 1000 Kilometern Strecke kann ich ein erstes Resümee ziehen. Wer ist eigentlich dieser Abraham? Und warum fühlt man sich in seinem Schoß so behütet?

Abraham ist eine der zentralen Figuren des alten Testaments.

Sicher wie in Abrahams SchoßGemeinsam mit seinem Sohn Isaak und seinem Enkel Jacob gilt er nach der biblischen Überlieferung als Erzvater der 12 Stämme des Volkes Israel. Die umgangssprachliche Redewendung „Sicher wie in Abrahams Schoß“ geht auf die gleichnishafte Erzählung des Lazarus zurück. Lazarus lebte ein Leben in Armut, liegt aber nach seinem Tod im Himmel behütet in Abrahams Schoß, während ein egozentrischer Reicher nach einem lasterhaft gelebten Leben in der Hölle schmort. Nun gab es damals noch keine Autos, und ich bin weder bettelarm noch kommen die Besitzer eines solchen Autos, wie ich es gerade bewege, pauschal in die Hölle. Aber sicher fühle ich mich in diesem bayerischen Prachtstück schon. Ist diese Sicherheit nur angetäuscht, oder funktionieren die elektronischen Helferchen tatsächlich so zuverlässig?

Ein Leckerbissen von einem TriebwerkFangen wir einmal mit dem Motor an. Sicherheit bedeutet, jeder Verkehrssituation Herr zu sein und bei Bedarf auch einmal zügig zu überholen. Ob dafür 4.4 Liter Hubraum, ein Bi-Turbolader, 407PS und 600NM Drehmoment notwendig sind sei zunächst dahin gestellt. Fakt ist: Ich reise erwartungsgemäß entspannt und bequem mit diesem Triebwerk. Es ist weder zu hören (och – schade eigentlich) noch zu spüren. Ob an der Ampel der Motor noch läuft entnehme ich ausschließlich der Nadel des Drehzahlmessers, die bei Lanz-Bulldog-ähnlichen 500 Umdrehungen festgemauert ist. Ich kann aber auch zügig! Kiel – Flensburg geht in 40 Minuten, wenn es mal sein muss. Und hier gerate ich in den Rausch der nicht gefühlten Geschwindigkeit! 200km/h sind sehr schnell erreicht, und sie fühlen sich an wie 100km/h! Der Wagen liegt fest und spurtreu auf der Bahn und pflügt wie ein Ozeanriese durch den Verkehr. Vor mir springen vereinzelt andere Autos beiseite. Einige aber trotzig auch nicht. Obwohl diese Autos auch 160 fahren, fühle ich mich provoziert. Ich bekomme das Gefühl, dass sie mich ärgern wollen! Warum machen die keinen Platz? Die sehen doch, dass ich viel schneller möchte. Ah – Gedenksekunde. Es hat rund drei Tage gedauert, bis ich hier mit großer Selbstdisziplin ein gesundes Verhältnis zwischen Tachonadel und Ankunftswunsch entwickelt habe. Nur weil eine wahnwitzig hohe Geschwindigkeit sich nicht so anfühlt, muss man sie trotzdem nicht ausreizen. Langsamere Autos müssen nicht mit Xenon weggeblitzt werden, und ich muss auch bei 200 nicht einen Meter auffahren, um klar zu machen, dass ich gern vorbei möchte. Vielmehr fahre ich an LKWs vorausschauend vorbei, bremse bei Ausscherern profilaktisch ab und gleite mit 130 entspannt meinem Ziel entgegen. Aber – können andere das auch, wenn sie in so einem Auto sitzen? Warum gibt es denn dann so viele Drängler und Raser? Welche Psychologie greift hier? Ich weiß nicht…

600 Newtonmeter, die an der Hinterachse mit ihren 20-Zoll-Rädern reißen. ABS, ESP, Abstandswarner, intelligenter Tempomat, Fahrspurassistent, Kameras und eine Einrichtung, die mich warnt, wenn neben mir jemand fährt und ich die Spur wechseln will. Lenken muss ich aber noch selbst. Was bedeutet das in der Praxis? Ich gleite auf der Autobahn mit einer Reisegeschwindigkeit von 140km/h dahin, die Bahn ist wenig befahren. Ich setze den Tempomaten auf diese Geschwindigkeit, aktiviere den Abstandsassistenten und den Fahrspurassistenten.

Viele kleine HelferleinImmer schön auf der Spur bleiben

Alles wird mir im wahlweise eingeblendeten Head-Up-Display dezent auf die Windschutzscheibe projiziert, gemeinsam mit der momentan gültigen Höchstgeschwindigkeit. Gut. Ich muss nicht mal mehr den Blick von der Straße nehmen. Aaaaber der Waaagen – der rollt *sing* und das tut er gar prächtig. Fährt vor mir ein langsameres Auto, verringert er das Tempo automatisch. Bei Bedarf bremst er sogar und hält gebührenden Abstand zum Vordermann. Befinden sich schräg hinter mir (im Bereich des „toten Winkels“) Fahrzeuge, leuchtet am Rückspiegel ein gelbes Warndreieck auf. Blinke ich gar links, während neben mir ein Auto ist, vibriert das Lenkrad und warnt vor der Gefahr. Wechsel ich anschließend auf die freie Überholspur, zieht der BMW wieder auf die gesetzte Geschwindigkeit an. Komme ich dem Fahrbahnrand zu nahe, vibriert ebenfalls das Lenkrad. Ich kann mir vorstellen, dass auf langen Reisen diese Helferlein Leben retten können. Und wenn sie es nur ein einziges mal machen – sind sie ihren Aufpreis wert.

Besser als das Sofa zu HauseDes Mannes Sofa. Auf diesen Sitzen sitze ich eine Woche lang ohne irgendwelche Druckstellen. Sie lassen sich in Höhe und Position verstellen, der obere Rückenbereich kann separat gekippt werden, die Rückenlehne und die Sitzwangen lassen sich in ihrer Straffheit einstellen. Gleiches auf den hinteren, noch geräumigeren Plätzen, selbst hier kann sich fast ein Liegesitz positionieren lassen. Sitzheizung obligatorisch. Die Mehrzonen Klimatronik arbeitet fast geräuschlos und zaubert angenehme Temperaturen im Innenraum. Vorn wie hinten, hinten kann sie ausgeschaltet werden, wenn niemand im Fond sitzt. Werde ich chauffiert, kann ich mir vom Rücksitz aus auf zwei Monitoren DVDs angucken, Fernsehen oder im Internet surfen. Alles ebenfalls über den mitgelieferten drahtlosen Kopfhörer. Blendet die Sonne oder brauche ich ein wenig Privatsphäre, lassen sich sowohl die Seitenscheiben als auch die Heckscheibe elektrisch verdunkeln. Im leinwandartigen Großdisplay vorn sind die Entertainment-Funktionen während der Fahr sinnigerweise deaktiviert, alles andere lenkt schon genug ab! Gut, die Reisebequemlichkeit des Selbstfahrers steigert dieses Paket nicht. Maximal die krakeelenden Kinder können auf dem Rücksitz mit diversen Filmchen bei Laune gehalten werden, aber so einer bin ich eigentlich nicht. Man kann ja auch mal reden…

Alles, was ich wissen mussConnected Drive. Dem werde ich noch ein eigenes Kapitel widmen. Aber schon einmal so viel: Es entspannt ungemein, eine Hotline zu haben, über die man einen freundlichen Menschen in München anrufen kann, der einem dann Reisetipps oder Routeninformationen auf das Navi sendet. Der einem vage formulierte Ziele konkret heraussucht, Hotels findet oder einfach nur die Koordinaten der Martini-Bar übermittelt. Mit Telefonnummer der Location und Zielführung. Das Display hat detaillierte Informationen zu Sonderzielen, kennt alle aktuellen Staumeldungen und kann über einen Splitscreen verschiedene Zoomstufen der Karte darstellen. Bei Bedarf hole ich mir aus dem Internet den aktuellen Wetterbericht des Zielortes mit 4-Tage-Vorschau oder lasse mich über Nachrichten und Aktuelle Meldungen informieren. Braucht man das? Ich glaube, wenn ich mehrmals die Woche unterwegs wäre und in verschiedenen Städten übernachten müsste, es wäre genau mein System.

Size DOES matterFasse ich einmal zusammen: Überlegene Leistung durch ein fast überirdisches Triebwerk, leise, komfortabel. Will man es wissen, ist es aber leider auch durstiger als Harald Juhnke in seinen schlimmsten Zeiten. Innenstadt und zügige Autobahnfahrten, 20 Liter wollen da auf 100 Kilometern durchaus verköstigt werden. Mir persönlich würde ein etwas kleinerer Sechszylinder genügen, wenn ich einmal die faszinierende Technik dieses Motors und meine generelle Affinität zu 8 Zylindern außen vor lasse. Elektronische Helferlein, die die Geschwindigkeit halten, den Abstand wahren und meine Unaufmerksamkeit auffangen. Sie wiegen mich in vermeintlicher Sicherheit, aber wenn ich mir dessen bewusst bin, erleichtern sie mir lange Fahrten. Zu schnell wird man zu mutig, aber es ist dann der Fahrer, der sich gehen lässt. Nicht das Auto. Solange ich sie auch alle abschalten kann, freue ich mich über ihr Vorhandensein. Extrem komfortable, straffe Sitze, vielfach an den eigenen Körper anpassbar. Klasse. Ich möchte eigentlich nie wieder auf etwas anderem sitzen! Ein Navigationssystem der kommenden Generation. Die Frage der totalen Vernetzung und des gläsernen Fahrers steht im Raum. Ich kann allerdings von mir persönlich behaupten, dass es mich überzeugt hat. Ein Mix aus Navigation und Supporthotline, DVD-Wechsler und audiospeichernde Festplatte – alles akustisch präsentiert über ein Surroundsystem. Klasse. Ich finde natürlich in einem voll ausgestatteten Fahrzeug auch Sachen, die ich persönlich nicht unbedingt brauche:

  • Luftfederung mit 4-fach-verstellbaren Fahrstufen (Komfort bis Sport plus),
  • ein elektrisch verstellbares und beheizbares Lenkrad,
  • Keyless Entry,
  • Dynamic Xenon mit Kurvenlicht und Nach-Hause-Leuchten,
  • Regensensor im Scheibenwischer (obwohl – der ist echt präzise),

die Liste ließe sich fortführen. Aber das kann jeder Kunde für sich selbst entscheiden und konfigurieren. Dieser BMW hat Zubehör im Wert von rund 55.000 Euro an Bord (noch eine Gedenksekunde).

Viel Gutes, wie ich finde. Gewöhnt man sich zu schnell daran? Ist nicht auch eine lange Reise in einem alten VW K70 ein Erlebnis? Sicher. Aber ein anderes. Wenn ich den Spirit alter, einfacher Autos haben möchte, kaufe ich mir auch keinen BMW 750. Diese Fahrmaschine ist gebaut worden für Menschen, die den größten Teil des Arbeitstages hinter dem Steuer verbringen und diese Zeit so angenehm wie möglich gestaltet haben möchten. Das ist meiner Meinung nach den Münchenern gelungen. Ich habe in 20 Jahren noch nie in etwas Komfortableren gesessen!

Wie stehen Sie zu den aufgezählten Gimmicks? Haben Sie eine Meinung dazu, haben Sie einige davon schon erfahren? Finden Sie – im Hinblick auf die genannte Zielgruppe – diese Funktionen sinnvoll? Ich bin sehr gespannt.

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

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