Horizonte

Dänemark.
Kurz nachgedacht.
Und zurück geblickt.

Einfach mal verharren

Einfach mal verharren

Ab und an, wenn man nicht ganz doll aufpasst, wird alles ein bisschen viel. An manchen Tagen scheinen die kleinen und großen Problemchen sich an den Waden festzubeißen, und die Aufgaben, die vor dir liegen, werden größer – anstatt kleiner. Seit dem Erreichen der Volljährigkeit verschwindet in jedem Jahr ein bisschen Leichtigkeit aus dem Leben. Nun sind auf einmal schlechte Menschen nicht mehr sofort an ihrem Aussehen zu erkennen und alle Kernthemen der Existenz drehen sich ums Geld. Täglich grüßt das Murmeltier zwischen Aufstehen, arbeiten und Einschlafen. Oder kennen SIE etwa Menschen, die noch keine Therapie wegen eines Burnouts gemacht haben? Nun – es gibt ein paar Orte auf dieser Welt, an denen man neue Energie tanken kann. Zu denen man vor Facebook, Mobiltelefon, Entertainment und Planungsstress fliehen kann. Wo der Horizont unendlich scheint.

Wir schreiben das Jahr 2010. Der Weg zu diesem Ort ist steinig.

Kombi? Braucht man nicht.

Kombi? Braucht man nicht.

Weniger die Straße selbst, die ist größtenteils mit Asphalt bedeckt. Nein, vielmehr ist es der eingeschliffene Wunsch der mitreisenden, ausschließlich weiblichen Personen, eine Menge Hab und Gut aus der Zivilisation dort hin mitzuführen. Wie sich vor Ort herausstellen wird, benötigt man (wie immer) weniger als die Hälfte der Sachen. Aber einen Kombi – braucht man nicht. Der gute alte V8 drückt seinen dicken Hintern tief in die Landschaft und bringt seine Last sicher und souverän an die Nordsee, in eine Ecke, die noch nicht komplett von deutschen Surfern überlaufen ist. Der alte Alublock knurrt zufrieden sein versoffenes Lied und belästigt mich nicht mit Fehlermeldungen und Systemabstürzen. Er verbrennt Superbenzin und setzt diese Verbrennung sehr uneffektiv in Bewegung um. Aber das macht er gut. Wir nehmen uns vor, das nächste mal das Kaminholz vor Ort zu kaufen und die Fahrräder einmal zu Hause zu lassen.

Schöner wohnen

Schöner wohnen

Tagsüber bleibt mein Telefon einfach mal – aus. Crazy, oder? Einfach nicht erreichbar sein. Wie ungewöhnlich in der heutigen Zeit. Wir bekommen Mails, MMS, SMS, Fotos und Social-Networking-Nachrichten von Twitter, MyVZ, XING und Facebook ständig aufs Smartphone gepusht. Alle Welt weiß, wo wir uns zu jeder Stunde befinden. Ohne Internet sind wir kaum überlebensfähig. Werden Sie nicht auch regelrecht nervös, wenn Sie ohne Ihr Telefon spazieren gehen? Ist das nicht krank? Ja, ist es. Verrückte, kurzlebige Welt 2.0, dem gilt es etwas entgegen zu setzen. Ein kleines schickes Häuschen, ein knackender Kaminofen, ein paar gemütliche Betten und eine endlose Landschaft mit Kiefern außen rum. Für das Wohlbefinden sorgen eine hölzerne Sauna und ein fröhlich blubbernder Whirlpool, der das kleine Anwesen angenehm in chlorhaltige Feuchtigkeit taucht. Es riecht nach frischem Brot und gutem Kaffee.

Horizonte

Horizonte

Kann ich ohne diese vernetzte Welt überhaupt noch existieren? Ich gestehe schamvoll das Vorhandensein eines Internetzugangs, allein schon für das abendliche Skypen vorm Einschlafen. Es sind zwar eine Menge weibliche Wesen dabei, inklusive meinem Hund, jedoch nicht diejenige, von der ich mir Abends gern den dicker werdenden Bauch streicheln lasse. Oh. Gut dass Sie es erwähnen. Der Bauch. Das Essen schmeckt hier einfach unfassbar gut. Frisch zubereitet von pubertierenden Teenagern, nach langen salzigen Spaziergängen am Strand. Und immer wieder muss ich mich zusammenreißen, um nicht noch einmal schnell meine Mails zu checken oder zu schauen, wer mir auf Facebook etwas auf die Pinwand geschrieben hat. Mal ehrlich – wo geht das denn noch hin? Die Krankenkassen haben es schon als Sucht anerkannt. Heute also schnell nochmal an den Strand, da ist kein Netz. Weit und breit.

Auf Spur gebracht

Auf Spur gebracht

Mit dem Auto ohne Ziel über Land fahren und schöne Musik hören. Den Strand in der Nähe wissen. Durch das offene Fenster die salzige Luft einatmen, den Duft der trockenen Heide und der harzigen Kiefern. Am Ende des schönen Tages den Kindern zusehen, wie sie durch den Garten toben. Die Teenager kommen geschminkt vom Spaziergang mit dem Hund wieder, das Abendessen köchelt langsam vor sich hin und läd mit seinem Duft zum sofortigen Verzehr ein. Einfach einmal Zeit haben, nichts vor, keine Termine und keine Verpflichtungen. Eine frisch gestopfte Pfeife rauchen, dazu ein Glas guten Rotwein auf der Terasse trinken und den hoppelnden Hasen in den Dünen beim Buddeln zusehen. Wenn dein Horizont so weit entfernt ist wie hier, wenn du ihn trotzdem sehen kannst, dann scheint dir die ganze Welt plötzlich offen zu Füßen zu liegen. Und alle Pläne sind irgendwie gut. Und richtig. Und durchführbar.

Alternative Transportmittel

Alternative Transportmittel

Noch einmal die Kurve kriegen. Nach einer Woche inmitten von Nichts wären einige von Ihnen vermutlich schmerzhaft an langer Weile gestorben. Mir gibt es neue Kraft, die Aufgaben des Jahres 2010 zu meistern. Und glauben Sie mir, das sind ein paar recht große Aufgaben. Aber alles ist machbar, wenn man gute Freunde hat und kleine und große Menschen, die einen lieben. Gleich meinem alten Auto, das Super trinkt und Öl verbraucht brauche ich diese kleinen Auszeiten bei den Wikingern. Mein Elixier ist das lebendige Gewusel meiner Kinder, mein Ladegerät ist der Blick auf einen nicht enden wollenden Horizont am Ende dieser kargen Landschaft. Nachste Woche geht der kommunikative vernetzte Alltag wieder los. Soll er. Ich bin bereit. Wo nehmen Sie sich Ihre Auszeiten?

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

21 Antworten zu Horizonte

  1. bronx.1965 sagt:

    Ma ikke brugsen!

    Wenn ich mich recht erinnere, hieß das auf Dänisch soviel wie „muß nicht gebraucht werden“. Das gilt in der Tat für Mobile und Lap wenn man in dieser schönen Gegend Urlaub macht. Man braucht es nicht.
    Mich fasziniert die Weite und Einsamkeit, besonders im Spätsommer / Herbst. Seit meinen ersten Touren nach DK mag ich die Gegend um Bjerregard besonders gern. Als bekennender Camper mit Wohnwagen im Sommer auf Usedom, weiß ich jedoch auch so ein „Feriehusudlejning“ zu schätzen.
    Da gibts solche Annehmlichkeiten wie einen Kamin, der nach einem Strandspaziergang abends so herrlich blubbert und einen wärmt, während der Wind um die Hütte pfeift.
    Oder nen Whirlpool, zum relaxen. Und und…
    Dänische Gastfreundschaft inklusive. Auch hier gilt „Aben, hver dag“.

    Bronx

    • Sandmann sagt:

      Ay Bronx,

      du sagst es. Ich kenne keinen anderen Ort auf der Welt, wo ich besser zur Ruhe komme als an der dänischen Nordseeküste. Natürlich gibt es schönere Orte. Vor ein paar Wochen habe ich mit meinem halbfinnischen Fräulein Altona einen Kurztrip in den Norden Mallorcas gemacht, um dem Sommer adios zu sagen. Wärme, Ruhe, Frieden. Aber da ist wiederum alles SO schön, dass man ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn man einfach nur den ganzen Tag unter einem Orangenbaum rumliegt und ein gutes Buch liest 😉

      Leider war ich diesmal nur einen Tag zu Besuch bei meinen Töchtern in Dänemark, und da fiel mit der ältere Artikel ein… *seufz*
      Ich hab’s glücklicherweise in Kiel in meinem kleinen, alten Häuschen fast dänisch. Da pfeift auch der Wind rum, und der Ofen knackt. Schöööööön…

      Sandmann

  2. Sandmann sagt:

    Nachtrag:
    🙂 DIESMAL ist besagte Dame, von der ich mir so gern den Bauch streicheln lasse mit dabei. Der Wind pfeifft schon wieder, hier oben in Skagen, der Hund knackt gerade an einem Schinkenknochen und alles ist ähnlich entspannt wie damals, während um uns rum ähnlich wirre Zeiten sind. Wenn nicht gar noch mehr.
    Aber Dänemark funktioniert ja immer wieder…

    Sandmann

    • micklip sagt:

      Ah ja, das hört sich gut an. Auf Dänemark hätt‘ ich auch mal wieder Lust. Aber jetzt ist erst mal – wenn alles klappt – am nächsten Wochenende wieder ein Besuch in und um unsere Hauptstadt dran. Berlin, wir kommen! (hoffentlich)
      Sozusagen ein Besuch in Bronx‘ Revier 😉
      Aber jetzt erst mal Dir, lieber Sandmann einen weiterhin schönen Urlaub. Und weht mir nicht weg da oben im Norden!
      Mick

      • Sandmann sagt:

        Bester Mick,

        nach einer wahrhaft stürmisken Nacht (hej) scheint heute wieder die Sonne. Das halbfinnische Fräulein Altona liegt tatsächlich auf der Terasse in einem Liegestuhl, der Hund dampft vorm Ofen das Nordseewasser aus, meine kleine Tochter packt ihre Badesachen zusammen – denn gleich düsen wir in ein Spaßbad mit Sauna. Hach… Schön…

        Berlin ist auch immer wieder super. Aber hier ist einfach… nix… das ist mal ganz angenehm 🙂

        Sandmann

      • bronx sagt:

        Hallo Mick,

        dann wünsche ich Euch viel Spaß und gutes Wetter! Habt Ihr was spezielles auf der Agenda?

        Bronx

        • micklip sagt:

          Hi Bronx,

          danke, war richtig schön. Wir haben uns bewusst nur ganz grobe Ziele ausgesucht und uns dann durch die City treiben lassen. Nur gucken und da anhalten, wo es einem interessant erscheint.
          Gestern haben wir dann auf dem Rückweg noch einen Stop in Potsdam eingelegt. Alte Erinnerungen auffrischen. Meine Frau war da kurz nach der Wende und hat dort ein Praktikum gemacht und ich habe sie dort besucht. Lange her. Vieles sieht anders aus aber vieles ist auch geblieben.
          Mick

          • bronx sagt:

            Ay Mick,

            wenn Ihr das nochmal wiederholt; ich empfehle in Potsdam die „Garage du Pont“. Liegt ca 400m HINTER der Glienicker Brücke, auf der Potsdamer Seite. Sehr schönes Etablissement, zum Kaffee umfunktionierte ehem. Tanke mit angeschlossenem Museum in Garagen-Art. Alte Franzosen (Panhardt, Citroen, Renault, usw) der 40er und 50er, in zeitgleichem Ambiente präsentiert. Durchaus mit Patina gesegnet und mir besser gefallend als die ebenfalls ausgestellten DS 19 und -21er Cabrios aus dem Hause Henri Chapron, welche seltsam über-restauriert wirkten.

            Dem El-Fahrer hat es gefallen, obwohl er ja keine Franzosen mag 😀 Den Mädels auch, was wohl am guten Kaffee lag 😉

            Bronx

  3. bronx sagt:

    Hey,

    das klingt gut 😉 Ja, Dänemark funktioniert. Immer wieder. Und, WENN du schon diesmal mit „besagter Dame“ da oben dieses Glück der Zweisamkeit empfangen darfst, lass einfach mal den ganzen Krempel „aus“. Das „funzt“ hier auch mal ohne dich! 😉

    Bronx

    • Sandmann sagt:

      Ay Bronx,

      ich merk das schon, dass es auch ohne mein Zutun „funzt“ 🙂 Sehr fein. Aber das hier ist ja freiwillige Freude, das ist ja kein MUSS. Von daher bin ich gern hier. Zwingt mich ja niemand…

      Der Wind heult ums Haus, Tori Amos haucht die neu interpretierten eigenen Lieder durch das Wohnzimmer, der Hund schnarcht ein bisschen… und alle anderen schlafen schon. Montag Abend könnte schlimmer sein. Aber nun gehe ich auch bald mal heia machen…

      Grüße von GANZ oben im Norden!
      Sandmann

  4. Markus1975 sagt:

    Hey Jensi

    Ich hoffe doch das das Kaminfeuer bei Euch nie ausgehen wird. Wenigstens abend´s nicht. Das Spiel der Flammen, das Geknister des Holzes und natürlich die wohlige Wärme die sich im Haus und im Herzen verbreitet. Einfach nur schön.
    Allerding würde ich dies höchstens vier Tage durchstehen. Einfach nur nicht´s tuen quasi rumgammeln ist dann doch nicht´s für mich. Irgendwie muß ich immer wenigstens etwas zu tun haben.
    Wünsche Dir im jeden Fall eine volle Runde „Entschleunigung“ 🙂

    V8 mäßige Grüße an alle

    Markus

    • Snoopy sagt:

      Ich laufe immer lange durch die Dünen und es gibt tolle Aquarien (Hirtshals, wart ihr da schon) Städtchen mit Läden zum Bummeln, Leuchttürme zum angucken, Pilze zum Sammeln…

      • Sandmann sagt:

        Ay ihr zwei,

        in Hirtshals SIND wir ja sozusagen mittig, allerdings lockt das Aquarium nicht so sehr. Weiter oben ist ja noch Skagen (wo wir gestern shoppen waren) mit der nördlichen Lanszunge, dann gibt’s noch eine in den Dünen versinkende Kirche und auf der anderen Seite einen in den Dünen versinkenden Leuchtturm 🙂 Hier nebenan ist das Leuchtfeuer von Hirtshals, das nachts erhaben seine Runden dreht und drumrum viele spannende Bunker.
        Tja.
        So ganz ohne Sightseeing wollen wir dann ja AUCH nicht, aber nicht übertreiben… Wir gehen jetzt mal saunen. Und morgen hat mein Töchterchen Geburtstag, das will ja vorbereitet werden 😀

        Sandmann

        • Snoopy sagt:

          Das große Aquarium mit den Mondfischen ist beeindruckend. Der Leuchtturm im Sand auch schön…
          Und stimmt schöne Bäder gibts auch.
          Viele Steinpilze hat mir ein Bekannter berichtet. Ja und der Betonwahnsinn…

        • bronx sagt:

          Entspannten Abend Herr Sandmann,

          Hirtshals war immer mein Absprungs-Ort für die Fähre nach Norway. Christiansand, die kürzeste Verbindung, keine 4 Stunden. Von da aus nach Tyin, noch mal 800.
          Die Bunker, ein Wahnsinn. Die ziehen sich doch tatsächlich von der Normandie bis da hoch.
          Viel Spaß Euch morgen beim Geburtstag 😀

          Bronx

  5. Sandmann sagt:

    Okay 🙂
    Nordspitze: Check.
    Skagen und seine Innenstadt: Check.
    Versandete Kirche: Check.
    Badeland in Skallerup Klit: Check.
    Shopping in Frederikshavn: Check.
    Entspannen: Check.
    Jeden Morgen die 12jährige fast bis zum Bäcker mit Rudolf fahren lassen: Check.
    😉

    Morgen noch das Museum mit den Skagenmalern und die riesengroße Düne… und dann war’s das schon fast wieder. *puff* herrjeh geht das immer schnell…..

    Sandmann

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