Tagebuch eines verrückten Autofahrers Teil 1

Liebes Tagebuch. Es geht wieder los. Erinnerst du noch…?

Christian Tarantino

Christian Tarantino

Wie du ja weißt, fahre ich meinen alten Audi nicht nur einfach so. Ich mache ihn auch manchmal (selten…) sauber, ich schlafe in ihm oder ich bin böse auf ihn. Und von Zeit zu Zeit treibt es mich zu Anderen, die ihren alten Audi auch nicht einfach nur so fahren. Ich glaube, das ist eine Art ansteckende Krankheit. Ich mein – warum durchkreuzen Menschen die ganze Bundesrepublik, nur um sich mit anderen Menschen zu treffen, die das gleiche Auto fahren? Das ist doch bescheuert, was soll das denn bringen? Was ich heute lerne: V8-Fahrer sind einfach nicht normal, einige weniger, andere noch weniger. Die Katze hat zum Stellldichein in den Schwarzwald gerufen, die Gemeinde bewegt sich. Von Kiel nach Tiengen. Aber, liebes Tagebuch, erwarte nicht nur Autos…

No time to go to sleep…

Tina singt mir den einen oder anderen Ohrwurm

Tina singt mir den einen oder anderen Ohrwurm

Fangen wir vorne an. Vorne ist erst einmal ein Konzert von der zauberhaften Tina Dico in der Fabrik in Hamburg am Donnerstag Abend. Kann man ein langes Autowochenende attraktiver einleiten? Nein, das kann man nicht. Die kraftvolle Stimme der schönen, in London lebenden Dänin lullt mich ein und soll mir die kommenden Tage nicht aus dem Kopf gehen. Sie singt mir ein bisschen aus der Seele. Who’s gonna sing the song of change, if no one can imagine life outside the beaten track… Es sind die letzten, schlaflosen Stunden vor einem schlaflosen Wochenende. Aber Schlaf wird in Deutschland völlig überbewertet. Was ich heute lerne: Es gibt noch immer Musik, die mich sentimental macht. Die mich anfasst, mich berührt. Und gekaufte CDs geben einem in der heutigen Zeit irgendwie das erhabene Gefühl, etwas richtig zu machen.

Wenn man nicht alles selber macht

Wenn man nicht alles selber macht

Erhabene Gefühle zerplatzen wie Seifenblasen, wenn man ohnehin schlecht loskommt, den Kaffee viel zu schnell herunterspült und nach viel zu spät erfolgtem Aufbruch – im Stau steht! Ich habe noch nicht einmal die Elbe unterqueren können, da wird im gleichnamigen, allseits bekannten Tunnel die Höhenkontrolle ausgelöst und alles steht still. Zwar nur für 30 Minuten, aber Freitag Morgens, wenn man noch insgesamt 900 Kilometer vor sich hat, kann das einen sehr zermürben. Die Stopschilder blitzen sich wie aggressive Schreie in meine Netzhaut. Ich will wieder in das warme Bett, aus dem ich gerade erst rausgekrabbelt bin… Was ich heute lerne: Die drei CDs von Tina Dico entspannen mich auch im Stau. Who’s gonna stop a running train, if no one cares to dwell or no one wants to look back. Ich verweile und ich weiß die Antwort: Die Höhenkontrolle.

Kommodes Genächtige im Schwarzwald

Kommodes Genächtige im Schwarzwald

Liebes Tagebuch, da ich dir einmal versprach, in dir nicht mehr zu fluchen, beschreibe ich nicht meinen Hinweg über die A1, Münster, Frankfurt, Freiburg bis zur V8-Schmiede, jenem sagenumwobenen Schrauberort im Süden. 18:45 Uhr. Kurz noch in Gegenwart von DEM Jens ein paar importierte VW Passat Schweller übergeben und dann der Katze in ihrem frisch überholten ragusagrünen V8 nach Tiengen/Schwarzwald gefolgt. Jedenfalls versuche ich es. Der Regenschleier und meine momentan mausetoten hinteren Radlager lassen mir nur ein oberes Limit von 160km/h, was für Katze eine Art Schrittgeschwindigkeit zu sein scheint. Und immer noch singt mir Tina ins Ohr: You got no one to follow, and no one will follow you. Ain’t that a relief. Das kann man so oder so sehen. Ich werde am späteren Abend mit einer hervorragenden Sezuan-Ente beim Chinesen und anschließend einem urgemütlichen Hotelzimmer im Landgasthof Rössle in Berau belohnt. Was ich heute lerne: Kleine Frauen in großen Autos können beeindruckende Fahrleistungen an den Tag legen.

Einmal links, einmal rechts...

Einmal links, einmal rechts…

Frühstück wird in Deutschland unterbewertet. Im Schwarzwald nicht. Mit dem guten Gefühl, vermutlich die kommenden drei Tage nichts mehr essen zu müssen verlasse ich den Gasthof Rössle am frühen Morgen. Katzes „Mig“ soll ein neues Radio und neue Frontlautsprecher bekommen. Das eigentliche Treffen ist ja erst morgen. Als irgendwann mal gelernter Kommunikationselektroniker halte ich mich prädestiniert für diese Aufgabe und mache mich mit der Lötstation, der Abisolierzange und den Schrumpfschläuchen an die Arbeit. Natürlich muss wieder der V8-Zeit-Bonus mit eingerechnet werden, den die ursprüngliche Verkabelung ist nur optisch von der Zündung unabhängig. Irgendwelche schnellen Kabelklemmen entferne ich, Dauerplus wird an beide Eingänge gelegt und alles wieder sauber verschweist und zärtlich im DIN-Schacht versenkt.Was ich heute lerne: Wenn man rot/blau vom Warnblinker abreißt, geht der normale Blinker auch nicht mehr.

Und woher bekommen SIE Ihren Strom?

Und woher bekommen SIE Ihren Strom?

Die direkte Nähe zur Schweiz lässt natürlich spontane Besuche zu. Noch gefühlt hinter KatzesArmaturenbrett steckend meldet sich telefonisch und per Mail Stefan H., besungener Hüter der Youngtimer-Schätze, und kündigt seinen Besuch in Berau an. Und das gleich uneigennützig mit jenem begehrenswerten grünen Ford Granada im Neuzustand! Ich bin ganz aus dem Häuschen, liebes Tagebuch. Und so verschieben Katze, ihre Freundin Susi und ich unsere kleine Tour durch den Schwarzwald trotz erfolgreichem Radioeinbau ein wenig nach hinten. Das Plüschwunder der Herrn H. soll schließlich standesgemäß probegefahren werden.

Gebettet in Plüsch

Gebettet in Plüsch

Es schleicht sich eine dezente Gänsehaut über den vom Hinweg noch etwas verspannten Rücken, lässt man jenen 1981 gebauten Ford-Saurier mit dem V6 und dem Automatikgetriebe über die schöne Landstraße gleiten. Auch fast 30 Jahre später kann man mit Fug und Recht behaupten: Mehr Auto braucht kein Mensch! Das Federkerngestühl sitzt sich wie Großvaters Fernsehsofa, sechs Töpfe brabbeln zufrieden vor sich hin und die Rundumsicht erstreckt sich durch eckige, flache Scheiben über eine nicht enden wollende Motorhaube. Ich träume von meinem Coupé und nehme mir vor, ihm wieder einmal ein wenig Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Autos in diesem Alter sind einfach etwas ganz Besonderes… So who’s gonna sing the song faith if no one prays for anything that can’t be bought and sold. Ach, Tina…

Die praktische Autoapotheke

Die praktische Autoapotheke

Wenn wir schon bei Glaube und Seele sind: Der Ford des Herrn H. hat davon reichlich! Vom original akribisch geführten handschriftlichen Fahrtenbuch der Erstbesitzerin über die lückenlosen Servicestempel bis zur „Schaffhauser Kleinapotheke“ belegen liebevolle Fragmente eine komplett erhaltene Autohistorie! Was für ein Erlebnis. Stefan gelobt, zum morgigen Treffen sogar sein altes Audi Coupé S mitzubringen, wenn seine Termine es zulassen. Noch immer pappsatt vom vermutlich selbstgeschlachteten Frühstück geht es jetzt auf eine Erkundungstour durch die unbekannten Ecken des Schwarzwalds! Liebes Tagebuch, kennst du den Hotzenwald mit seinen inzüchtigen Bewohnern? Oder den schönen Dom mit der Grabstätte des heiligen Nikolaus? Warst du schon einmal im Schlüchtal? Nein? Was ich heute gelernt habe: Der Schwarzwald ist erst richtig schön, wenn man ein grünes Auto hat.

Morgen geht es weiter mit Dingen und Ringen…

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

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