Wenn ein Unfall zwei Getrennte vereint….

Wie jetzt? Hier geht es doch um Autos, oder? Jep, und in diesem Fall um eines, welches nicht nur seiner Besitzerin das Leben rettete, sondern dessen Unfall eine Reihe von Erkenntnissen über Menschlichkeit, Arroganz, Hilfsbereitschaft und vor allem….. Gefühle ausgelöst hat…. Aber der Reihe nach:

Am 25.09.10 vermeldete mein Handy diverse Anrufe in Abwesenheit. Dies konnte ja nur bedeuten, dass sich einer meiner Mitarbeiter krankgemeldet hatte, oder die Heimaufsicht vor der Tür steht. Ein kurzer Druck auf die „Lesen“ Taste bestätigte dann allerdings Murphys Gesetz… Die Anrufe stammten alle von meiner holden, allerdings von mir getrennt lebenden Ehefrau! Widerstrebend wählte ich also meine Mailbox an und rüstete mich innerlich  gegen unerfreuliche verbale Tiefschläge. Nachricht Nummer 1: Ich hatte einen Unfall und brauche Deine Hilfe…

Leicht beunruhigt durch dieses kurze, aber inhaltsvolle Statement bestätigte ich, auch die nächste Nachricht hören zu wollen. „Typisch, wenn man Dich braucht, bist Du mal wieder nicht zu erreichen! Ruf mich doch endlich mal zurück!“ Jaja… immer mit der Ruhe! Fräulein, wir sind GETRENNT!!!! Dann: Schluchz „Melde Dich bitte, der Unfall war wirklich schlimm und die Reifen stehen total schief!“ Schluchz

Ooooookay!!!! Nun muss man erwähnen, dass die mir einst vor Gott anvertraute Ehefrau schon immer einen LEICHTEN Hang zu Übertreibungen hatte. Aber…. man kann ja mal zurückrufen. Nachdem der Teil meines Gehirns, welcher auf das Dechiffrieren weiblichen Sprachgebrauchs trainiert ist, alle Schluchzer und Flüche über Unfallverursacher, Gegner und letzten Endes MICH, weil ich mal wieder nicht zu erreichen war, rausgefiltert hatte, stellte sich folgender Sachverhalt dar:

Schöner, schwarzer, gebraucht erworbener Audi A4 mit dessen Kauf man den Ex ja noch ordentlich ärgern konnte (im neuerworbenen Jargon meiner Holden „geflasht hat“) steuert auf scharfe Rechtskurve zu. Entgegenkommendes Auto schneidet aber leider Kurve und Ehefrau weicht aus. Die rechten Reifen kommen von der Fahrbahn ab, und der Audi droht in den Graben zu rutschen. Ehefrau lenkt etwas zu stark gegen und manövriert den Audi zurück auf die Straße. Leider auf die Gegenfahrbahn. Was daraufhin folgt, ist der seit dem Zweiten Weltkrieg allgegenwärtige Konflikt zwischen den Germanen und der Normandie…. 60 km/h schnelle, außer Kontrolle geratene deutsche Ingenieurskunst knallt frontal in 80 km/h schnellen Peugeot 207 SW. Falls Sie in diesem Moment auch die Luft angehalten haben, wissen Sie, wie es mir ging, als ich später am Tag beide Unfallwagen mit eigenen Augen sah.

An dieser Stelle sei ganz ernsthaft erwähnt, dass alle Beteiligten mit dem Schrecken, Prellungen und kaltverformten Blech davon gekommen sind!

Ich stand nun vor der Aufgabe, irgendwie zu diesem Ort, 50 km entfernt von Wittenburg zu gelangen, und dort…. ja was eigentlich? War sie nun verletzt? Wenn ja, wie schwer? Warum war sie nicht im Krankenhaus? Warum hat sie eigentlich MICH angerufen und nicht den Menschen, der gar nicht so unglücklich über mein Ausscheiden aus der heilen Ehewelt war? Und wieso zum Geier zitterten meine Hände? Fragen über Fragen… Aber ich saß auf einmal in meinem Touran und hatte mein Navi in den Händen. Man kann ja erstmal losfahren, Denken geht ja manchmal auch während man ein Auto fährt, oder?

PING! Ich mag dieses Geräusch nicht…. Immer wenn es ertönt, erzählt der Boardcomputer meines Tourans mir irgend etwas über ein Problem, für dessen Behebung ich absolut keine Zeit habe!!! Bitte Tanken! Was zum……? Restreichweite: 130 km Blick aufs Navi: Fahrtstrecke bis zum Ziel: 290 km GRUMPF!

Habe ich vorhin nicht bereits Murphys Gesetz erwähnt? Was glauben Sie, was passierte, als ich meine EC Karte in den nächsten Bankautomaten steckte? Na? RICHTIG! Auszahlung nicht möglich, Systemfehler! Ist jetzt nicht wahr, oder? Nach dem vierten vergeblichen Versuch offenbarte ein länglicher Riss, quer über den Magnetstreifen die Ursache. Wo ist mein Handy? Ähm…Du, ich hab da ein Problem…… nach Minutenlangen, gemeinsamen Überlegungen, wie ich es eigentlich schon immer schaffen konnte, im Notfall nie zu erreichen und dann auch noch solche Probleme bei der Hilfestellung zu haben, einigten wir uns darauf, dass ich noch kurz 40 km zu unserem Haus, welches ich nicht mehr bewohne, fahren könnte, um das gemeinsame Flohmarktgeld (nicht wundern, andere Geschichte) zu holen und zu tanken… Klar, mach ich. Bis gleich!

Bis gleich?…….

10 km vor besagtem Haus: Piiiiiiiiieeeeeeeeep! STOP! Bremsflüssigkeit prüfen! Mögen Sie Bordcomputer auch so gerne, wie ich? Ich liebe meinen Touran… EHRLICH! Nun war diese Fehlermeldung nicht wirklich überraschend für mich, denn seit der letzten Inspektion in einem hier nicht näher benannten Autohaus in Boizen….. (lassen wir das), kommt es wirklich zu gelegentlichem Verlust eben jener Flüssigkeit. Wann sollte das eigentlich behoben werden? Ach ja…. HEUTE! Egal, ich muss nach Wittenburg! Wie gut, das man immer etwas DOT4 im Haus hat, gell? Bremsflüssigkeit aufgefüllt, Flohmarktgeld eingesteckt, Tankstelle aufgesucht und los! Wieso jetzt auf einmal nur noch 230 km Fahrtstrecke, wenn ich doch nur 40 km zum Haus gefahren bin? Egal, Navigon macht das schon… auch wenn seit dem letzten Software Update der Pfeil teilweise neben der Straße erscheint und die freundliche Kunigunde mich mitten auf einer geraden Landstraße zum Wenden auffordert… Das Leben wäre ohne Murphy doch langweilig oder?

Nach zwei Stunden Fahrt erreiche ich die Tankstelle, an der meine Frau wartet. Okay, sie geht aufrecht, lächelt, als sie mich sieht, und außer einer merkwürdig geröteten Nase kann ich keine offensichtlichen Verletzungen entdecken. Meine Hände zittern nicht mehr so stark…Irgendwie mag ich sie ja doch….hm.

Wir müssen noch ein par Sachen aus dem Wagen holen, bitte. Du musst da links lang fahren, jetzt rechts, und da steht er, guck!“ Ich gucke, und das Zittern ist wieder da! Schluck Der ist ja auf einmal so…. kurz?! Immer wieder wechselt mein Blick zwischen Auto und meiner Frau. Ja, sie lebt! Und es geht ihr anscheinend gut… Wow! Wie auf den Bildern zu sehen, ist der komplette Vorderwagen gestaucht. Das Armaturenbrett ist nur minimal ins Innere gedrungen, beide Airbags haben absolut präzise gezündet (deshalb die rote Nase), Sitze fest an ihrem Platz, der Mitteltunnel ist um ca. 5cm nach hinten verschoben, alle Türen bis auf die Fahrertür lassen sich problemlos öffnen und schließen. Zwei Hundefutterdosen im Kofferaum sind in der Mitte bis kurz vorm Platzen zusammengedrückt, stumme Beweise der vorgeherrschten Verzögerung, und die Fahrerin…. steht neben mir und flüstert mit tränenerstickter Stimme liebevolle Worte zu ihrem kaputten Traum. Ich schlucke mehrmals, doch der Kloß in meinem Hals will nicht verschwinden. Auf einmal ist der Groll, den ich gegen dieses Auto gehegt habe, weil es ein Symbol der unschönen Trennung für mich war, verflogen… ich ertappe mich dabei, wie ich eine Hand auf das zerknautschte Blech lege und Danke flüster.

Wir fahren nach Hause und ich lausche gespannt den Schilderungen des Ereignisses. Die Geschichte von der Fahrt zur lang ersehnten Prüfung zur PDL, dem Moment, als sie die Augen schloss und dachte, „Das war’s“, von der jungen Frau, die aus dem Peugeot befreit wurde und außer einem Schock und einem dicken Knie scheinbar nichts davon getragen hat, deren Tochter, die kaum etwas sagte und ihrem Ehemann, der während der gesamten Unfallaufnahme damit beschäftigt war, über sein Handy seiner Versicherung klarzumachen, dass er einen besonderen Servicevertrag abgeschlossen habe und ihm auf der Stelle ein Ersatzwagen zur Unfallstelle gebracht werden müsse…. anstatt seine Familie mal in den Arm zu nehmen und auch Danke zu sagen. An wen auch immer… Von den Polizisten, die ihren Job mit sehr viel Menschlichkeit verrichteten und ihr beistanden, als ich mal wieder nicht im richtigen Moment zu erreichen war, und von den Prüfern, die nach dem Anruf zur Unfallstelle kamen umd ihr anboten, die Prüfung eine Woche später per Telefonkonferrenz abzulegen. Das alles hörte ich mir an und sagte innerlich immer wieder Danke….

Ja, den darauf folgenden Samstag war ich wieder Zuhause. Während der Telefonkonferrenz. Ich saß im Nebenzimmer am Laptop, hielt die Hunde ruhig, schaute mir die Unfallbilder an und dachte über die Menschen nach, die vor über 12 Jahren mit ihrem Wissen und der Hilfe von Computern ein Auto planten, dass im Falle eines Falles seine Insassen bestmöglich schützen würde. Ob jemand mal diesen Menschen Danke sagt? Das hätten sie doch mal verdient, oder?

Mittlerweile bin ich wieder öfter Zuhause, und einen Nachfolger für den A4 gibt es auch schon. Vielleicht interresiert es ja jemanden, was man bei der Autosuche so alles erleben kann, und wie kurz der Weg von einem BMW 3er zu einem VW Beetle sein kann?

Bis dahin sagen Sie doch öfter mal Danke…. Ist ein schönes Wort!

Touranus

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Über Touranus

Autofahren ist für mich mehr, als nur von A nach B zu kommen. Man erlebt halt einiges mit seinem Auto.... und darüber zu sprechen, kann enorm viel Spaß machen!!!! In meinem Leben vor dem Arbeitsalltag verbrachte ich unzählige Tage mit meinem besten Freund in einer Schrauber-Scheune... Also, ein bißchen Ahnung vom "Heiligen Blechle" hab ich auch ;-) Und nun ist ein Kapitel mit einem alten Schweden aufgeschlagen ;-)

6 Antworten zu Wenn ein Unfall zwei Getrennte vereint….

  1. Sandmann sagt:

    Ay Touranus,

    oh mann, das sind ja wirklich heftige Bilder! Aber so oder so willkommen bei der schreibenden Zunft auf Sandmanns Welt.

    Was ist aus dem Audi geworden? Verschrottet…?

    Ich lasse die Zeilen erst einmal ein bisschen sacken, du hast ja ganz nebenbei einen tiefen Einblick in die Kommunikation von Mann und Frau gegeben. Gefällt mir gut. Bis zur nächsten Geschichte, hoffe ich. Und ich denke, dass ich damit für viele andere Leser spreche, oder?

    Sandmann

  2. Touranus sagt:

    Hoi Jens,

    nein, der Wagen fristet noch sein trauriges Dasein auf dem Hof jenes Verwerters. Es ist ja nicht so, dass meine Frau möchte, dass der Autoverwerter am Hungertuch nagt. Deshalb dachten wir uns, „Hey, geben wir dem guten Mann doch mal 300 Euro dafür, dass er den Wagen aufgeladen und auf seinen Hof gestellt hat.“ Er bedankte sich wohlwollend mit dem Angebot, das Auto kostenlos zu verschrotten, wenn wir ihm den Brief zusenden. Ja nee, is klar!

    Nachdem der Schock sich etwas gelegt hatte, und ich meine Frustration darüber, keinen Anhänger mit Hebevorrichtung zu besitzen im Griff hatte, schrieben wir einige der unzähligen Autoverwerter im www an, die KOSTENLOS Schrottautos aus dem ganzen Land abholen und einem dafür Bargeld bieten… Hm… was soll ich sagen? Kaltverformte Audi A4 Bj. 1998 sind davon ausgenommen. Trotz Vollausstattung, wie Sitzheizung, Climatronic usw. Naja, dieZeit drängt, aber eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefällt…

    Was die Kommunkation zwischen Frau und Mann betrifft, habe ich mittlerweile noch einige weitere, interessante Erfahrungen gemacht. Ich besitze die Ausgabe von Mario Barth’s „Mann – Frau, Frau – Mann“ Teil 1 und 2. Ich denke, der Mann kratzt da nur an der Oberfläche… Ich könnte noch Teil 3 – 42 hinzufügen.
    Aber soweit ich dich bisher kennenlernen durfte, verfügst Du da über ganz ähnliche Erfahrungen, oder? ;-))))

    • Sandmann sagt:

      Kommunikation im Zeitalter von SMS, speziell zwischen Mann und Frau, wird die Menschheit wohl bis in alle Zeiten beschäftigen 🙂

      Zu dem Auto… Wenn es Vollausstattung hat, solltet ihr (ich sag einfach mal ihr) vor einer endgültigen Verschrottung nochmal mit einem Werkzeugkasten da durch… Radio, Steuergeräte, KI, Schalter und Knöpfe… da bekommst du einen Haufen Geld bei ebay für… Ganze Sitze raus, Türpappen… ausbauen dauert ja nicht so wahnsinnig lange…

      Sandmann

  3. b4-rocker sagt:

    Moin Touranus! 🙂

    Man kann nur von großem Glück reden daß deiner Ex nichts schlimmes passiert ist nach Ansicht dieser Bilder!

    Ich kann den Entwicklern einem ´83er AUDI 80, glaube die heißen intern B2, auch einen großen Dank aussprechen, denn dieses Modell hat mich im Januar ´93 vor einem großen gesundheitlichen Schaden bei einem selbstverschuldeten Unfall bei Eisglätte bewahrt!

    Vielleicht ist dieses Beinaheunglück auch ein neuer Anfang für euch beide, falls ich sowas schreiben darf!

    Ansonsten kann ich nur empfehlen bei diesem Fall: Ausschlachten!!!

    LG! 🙂

    • Touranus sagt:

      Moin b4 Rocker,
      dann mal auch Glückwunsche von mir, dass Du Deinen Unfall gut zu überstanden haben scheinst.
      Ja, Bj. 83 wurde auch als B2 bezeichnet, geläufiger ist allerdings die Bezeichnung Typ 81. Stand auch so im Fahrzeugschein. Von den Modellen hatte ich auch einige gefahren.
      Um genau zu sein, hat ein Unfall 1997 mit eben solch einem Audi meine Liebe zu der Marke begründet, denn auch ich kam da heile raus. Für stolze 1200 DM käuflich erworben und mit einem frischen vom Schrottplatz besorgtem Doppelkammervergaser ausgerüstet, machte ich mich Nachts um 01:00 Uhr von meiner damaligen Freundin aus auf den Weg nach Hause.
      Da es ja dunkel war, konnte ein Nachtaktiver Fuchs natürlich meine giftgrüne Farbe nicht erkennen und entschied sich, am denkbar ungünstigsten Platz, die Landstraße zu überqueren.

      Nämlich dort, wo ich gerade mit 80 km/h lang fuhr.
      Was macht ein relativer frischer Fahranfänger mit amerikanischer Fahrlizenz? Jupp, AUSWEICHEN! Nicht gut auf nasser Fahrbahn. Was ein Begrenzungspfeiler und ein Tempo 70 Schild nicht schafften, erledigte denn eine ausgewachsene Eiche. Sie verformte den schönen Audi zur Banane und brachte ihn aprupt zum stehen…. Aber mir ging es gut. Der Eiche auch. Dem Pfeiler und dem Schild nicht. Dem Audi… naja, er war halt äußerst geknickt. Aber was willst machen?
      Sind wir beide ja schon zu zweit im Verdanken unserer Gesundheit dem Maurermercedes der 80er! 😉

      Gruß
      Touranus

  4. b4-rocker sagt:

    Moin Touranus

    Jepp, Maurermercedes liest sich gut! 😉
    Mein Vater wollte mir damals im Jahr ´92 einen SEAT Marbella andrehen, aus Kostengründen wie er sagte, an Sicherheit hat Er in diesem Moment (noch) nicht gedacht!
    Seit dieser Zeit bin ich der Marke treu geblieben (aktuell A6 4B,162kw), auch wegen dem Sicherheitsaspekt!
    Selbst meine Freundin fährt mit Begeisterung ein ´99er T89 Cabriolet mit der 110kw Maschine!
    Jetzt heißt es im Zuge der fortschreitenden „Verwinterung“, etwas sinniger als sonst zu fahren!

    LG! 🙂 🙂

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