Wenn Colt Seavers älter wird

Der tote Saurier

Der tote Saurier

Irgendwie hat mir Howie immer leid getan. Er stand im ständigen Schatten der schönen Jody und des toughen Colt Seavers, dem unbekannten Stuntman. Erinnern Sie sich an die amerikanische Action-Serie aus den 80ern? Ja? Sie? Ich hoffe doch. Ich selbst konnte es immer kaum erwarten, wenn mein Vorbild im ansonsten belanglosen Vorabendprogramm seinen wuchtigen Pick-Up in wilden Verfolgungsjagten über zufällig zu einer Rampe geformte Hindernisse hüpfen lies! Wer so ein cooles Auto hatte, musste ein noch viel coolerer Mensch sein. Kinder brauchen Helden. –Schnitt– Herbst in Hamburg Altona. Die Blätter fallen, werden zu matschigem glitschigem Mulch und legen sich wie eine schimmelige Decke über die Welt. Mittendrin, eingewachsen, steht etwas sehr großes. Etwas riesengroßes, wenn man bedenkt, dass es so etwas auch in kleineren Varianten gibt. Letztendlich ist es nur ein Automobil. Aber ich wusste, ich habe so eins schon einmal irgendwo gesehen…

Ich seh dir in die Augen Kleines

Ich seh dir in die Augen Kleines

Wenn Heather Thomas im Bikini so gar nicht Baywatch-like und irgendwie extrem verführerisch über den Röhrenfernseher unserer Eltern stakste, ahnten wir Jungs, dass die Mädchen vielleicht nicht immer doof und zickig bleiben würden. Und dass man mit ihnen noch mehr anfangen kann, als sie die schlagfertige Jody Banks auf dem Schulhof spielen zu lassen. Heather Thomas ist alt geworden. 52 Jahre, um genau zu sein. Das Auto, was hier vor mir steht… nein, eher gesagt liegt, hat noch nicht ganz so viele Jahre auf dem Buckel.

Ende des Weges

Ende des Weges

Aber jung ist es auch nicht mehr. 15 Jahre baute GMC den Sierra Classic und begann damit schon in den 70er Jahren. Ein Monster von einem Auto. Ein Dinosaurier. Blech gewordene Unvernunft. Und was der Heather ihr seine Falten sind, ist diesem GMC sein eigener Verfall. Was ist schon unsterblich? Irgend jemand hat ihn hier wohl schlicht vergessen.

Fette Flanke

Fette Flanke

Mehr im Hintergrund hielt sich immer Howie Munson. Colt rief ihn ständig „Kleiner“, aber irgendwie schaffte er es mit seiner leicht tollpatschigen Art und seinem Hundeblick, dass man ihn einfach mögen musste. Oder? Douglas Barr spielte mit Howie den ruhigeren Gegenpol zum Draufgänger Colt und musste für diesen mehr als einmal die Kastanien aus dem Feuer holen! Mit Douglas Barr können Sie allerdings heute vermutlich genau so wenig anfangen wie mit der Modellbezeichnung Sierra Grande 2500 oder Sierra Classic 2500. Warum auch? Barr, inzwischen stattliche 60 Jahre alt (oh mein Gott!!!), lebt heute nach einigen semi-erfolgreichen Versuchen als Drehbuchautor ohne viel TamTam im nördlichen Kalifornien und betreibt einen exklusiven Weinhandel. Man hat ihn einfach vergessen. So wie dieses Auto. Kann man es Auto nennen?

Massive Sache

Massive Sache

Ich springe wie ein Flummi mit meinem Fotoapparat um kubikmeterweise pornös aufgeplüschten Cowboy-Flair und sterbendes Blech von den Ausmaßen eines großzügigen Studenten-WG-Zimmers. Wie viel Auto braucht ein Mensch? Diesseits oder jenseits des Atlantik? Jeder Q7 mutiert hier zum Beiboot und wirkt bemüht albern im Schatten seiner Majestät. Die aber ist krank. Sie hat keine Plaketten mehr, die Luft ist aus ihren Reifen gewichen und der stolze zweifarbige Lack ermattet mit jedem weiteren Tag.

Da mag es wohl muffeln

Da mag es wohl muffeln

Wenn Colt sein gewinnendes Lächeln aufsetzte, war die Welt fast schon wieder in Ordnung. Lee Majors, heute sagenhafte 70 Jahre alt (waaaaahhhhh!!!!!), spielte fast alle Stunts in den 113 Folgen von „Ein Colt für alle Fälle“ selbst. Auch die vermutlich allen von Ihnen geläufige Titelmelodie der Serie sang er selbst und zeigte sich anschließend verwundert, dass dieses Lied sogar ein Charterfolg in Deutschland wurde! Parallel zu David Hasselhoffs Erfolgen in ähnlichen Richtungen wundert das wiederum niemanden. Colt war gerecht, gutmütig und draufgängerisch. Wenn er mal keine Jobs als Stuntman bekam, arbeitete er als Kopfgeldjäger und buchtete Bösewichte ein. Vor zwei Jahren konnten wir ihn noch einmal in der Werbung sehen, in einem Honda CR-V, nicht ganz das Auto aus den Achtzigern. Nein. Das habe ich hier mehr oder weniger vor mir. Allmächtiger. 6.2 Liter Hubraum auf acht Dieselzylinder, jeder einzelne fast so viel wie eine ganze Milchtüte! Oder wie ein kompletter Smart! Im Leerlauf hören Sie jede einzelnen Zündung ihre Arbeit verrichten und im gefühlten Minutentakt träges Diesel in irgendwas gesundheitsschädliches und klimakillendes umwandeln. Sie sind ausgestorben, die Dinosaurier. Manchmal findet man Skelette von ihnen, manchmal komplette Tiere. Hier liegt eines. Und stirbt. Was ist geschehen?

Da geht er dahin.

Da geht er dahin.

Der GMC verwittert langsam und unentdeckt auf einem kleinen Parkplatz jenseits der großen Straßen Hamburgs. Wenn ich morgens schlaftrunken und noch ein bisschen benebelt von der Nacht aus dem Fenster der Wohnung meines halbfinnischen Fräulein Altonas blicke, sehe ich ihn. Täglich geht es ihm schlechter. Was mag seine Geschichte sein? Ich will ihn nicht retten. So viel Auto braucht kein Mensch.

Viel, viiiiel Hubraum

Viel, viiiiel Hubraum

Vielleicht wartet er auch nur? So einen Boliden, wenn man ihn denn liebt, lässt eigentlich niemand einfach so verkommen, oder doch? Vielleicht wird er niemals wieder der König der Highways sein. Vielleicht ist das auch gut so. Allein in der ersten Staffel der weiter oben angesprochenen Serie wurden mindestens neun seiner Brüder geschrottet. To be continued. Aber die Zeit für solche Monster ist womöglich abgelaufen, wenn man laut Hochrechnungen in 50 Jahren um die kieler Rathausturmspitze mit einem Schlauchboot paddeln kann.

 

Eine Reling wie auf einem Ozeanriesen

Eine Reling wie auf einem Ozeanriesen

Erweisen wir ihm die letzte Ehre. Schauen wir uns destruktive Videos aus den 80ern an, in denen drei-Tonnen-Geländewagen stumpf über einseitige Rampen in den Hollywood-Himmel katapultiert wurden!

Ich gehe jetzt schlafen und denke an Colt, Howie und Jodie. Sie haben meine Teenagerzeit begleitet, mir gezeigt, WIE groß Autos sein können und mir eine große Illusion in den Tagesablauf gelogen: Am Ende siegt immer das Gute!

Vielleicht hat man das vor 25 Jahren wirklich geglaubt.

Sandmann

Tagged , , , , , , , , , , , , , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

11 Antworten zu Wenn Colt Seavers älter wird

  1. Stefan P100 sagt:

    Hey Sandy,
    du sag mal weißt du die Motordaten von dem Dino? PS NM verbrauch usw? würde mich mal interessieren 🙂

    mfg P100

    • Sandmann sagt:

      Ay P100,

      leider nein. Der Wagen ist auch inzwischen entsorgt worden 🙁 Aber du kannst die Daten bestimmt mal selbst nachlesen, der von Colt Seavers hatte 350cui. Musst mal googlen…
      Ich hätte ihn gern mal gehört, 6.2 Liter, das muss brutal geklungen haben.

      Sandmann

  2. Daemonarch sagt:

    Yeah, Serie meiner Jugend…
    Wenn der Sprit nicht so teuer wäre, man meint ja der gute Colt wär eh mehr in der Luft gewesen als sonst wo, why not? Spart Reifen!

    Ich will auch so einen… Tempohuckel? Flugzeug/Transporter oder anderes Auto im Weg? Egal, Knallgas, drüber!

    • Sandmann sagt:

      Wenn du das WIRKLICH mal machen willst…
      Es gibt ein langes Stück recht einsame Straße, wenn man von Rendsburg überland nach Seeth bei Friedrichstadt fährt. Irgendwo bei Erfde. Da geht es fast zwei Kilometer schnurgeradeaus auf eine Endmoräne zu, man darf da nur 70, und das ist auch gut so. Denn in der Mitte dieses Abschnitts geht die Straße über einen kleinen Fluss, die Treene. Und diese Brücke… nun…
      Also du tauchst erst in eine kleine Senke, um dann über den Buckel der Brücke zu fahren. In der Senke geht dein Auto in die Knie, und das aus den Dämpfern wieder auftauchen wird dann von diesem Buckel noch verstärkt. Hinter dem Buckel geht es nämlich wieder runter. Wir haben das damals ein paar mal mit meinem Taunus getestet, wenn du genau 130 fährst sind hinter der Brücke für rund 8 Meter alle vier Räder in der Luft…
      Hm. Vielleicht blitzen sie deshalb da so oft…

      Sandmann

      • Martin R. sagt:

        Nürburgring, Nordschleife. Da gibt es unter anderem einen Streckenabschnitt, der heißt nicht ohne Grund Flugplatz…

        Beispiel von den letztjährigen 24h. (Das da noch viel mehr passieren kann hat sich ja dieses Frühjahr leider nur zu deutlich gezeigt. Es hat einen Grund, daß die bösen Klassen da nicht voll stehen lassen, sondern alle kurz den rechten Fuß lupfen… fast alle.)
        https://turboseize.wordpress.com/2014/06/24/schlammgrillen-ohne-schlamm-24h-rennen-nurburgring-2014/#jp-carousel-2345

        Ob ich da selber mal Räder in die Luft gekriegt hab weiß ich nicht, ich weiß nur, daß ich auf meiner ersten Runde da fast abgeflogen wäre… Naja, wir waren alle mal Jung.

        A propos jung… Sandmann, Du hast doch auch gedient (jedenfalls den – sehr treffenden – Comics zu Folge). Habt ihr denn nie inoffizielle Kompanieweitsprungwettbewerbe mit dem 2to gemacht? Jeder TrÜbPl hat doch irgendwo eine passende Bodenwelle…

        • Sandmann sagt:

          Ay Martin,

          😀 nein diese Weitsprungwettbewerbe machten wir nie. Da ich als Fahrer sehr flott in die Kompanieführung versetzt wurde hatte ich immer zwar wohlwollende, aber sehr genau guckende Augen auf meinem Tun. Mit dem Golf II über die Panzerbahn: Ja. Aber nur weil der Hauptmann das befohlen hatte.
          Aber das sind andere Geschichten 🙂 Es gibt ja noch weitere 70 Seiten Comix. Wann soll ich die bloß aufarbeiten…?

          Sandmann

          • Martin R. sagt:

            Golf II auf Panzerbahn kann ja jeder. Wie wär’s mit einem abgewrackten, als Darstellungsmittel für die Basisausbildung EUFOR/KFOR billigst vom Schrott beschafften Fiat Panda, besetzt mit einem wohlgenährten OFw und zwei noch wohlgenährteren StUffzen, der eine 2,04, der andere 2,14m groß, nebst einigen Kisten PzAbwVerlegeminen (Üb) auf der Geländefahrschulstrecke? Geht alles, irgendwie. Die sind jedenfalls durchgekommen… Ich weiß bis heute nicht, wie, am nächsten morgen hat sich dort jedenfalls ein Wolf festgefahren. Der wurde aber von einem Wehrpflichtigen gesteuert und nicht von einem altgedienten OFw und Landwirt im Nebenerwerb.
            Ich habe meinen 200d übrigens auch schon über Stock und Stein geprügelt und bin an Orte hingekommen, an die sich kein SUV-Fahrer trauen würde. Aber die Sinnlosigkeit von SUV ist ein anderes Thema.

            70 Seiten Comix: Bitte! Ich warte hier solange. 😉

  3. Daemonarch sagt:

    Geil, erinnert mich an die bekloppten alten Zeiten, wo die Farbe auf dem Führerschein noch nicht ganz trocken war.
    Auf der Rückbank eines Kumpels im knüppelharten Polo 2 Facelift, schön mit Anlauf und schmackes über die Emscherbrücke…

    So 5m später beim Bodenkontakt gabs dann zeitnah Kopfkontakt mit dem Fahrzeughimmel, und anschließend Faustkontakt mit dem Hinterkopf des Fahrers…
    Ach, heute kann man drüber lachen, würde mein Sohn so einen Scheiß machen, gings ohne Umwege nach Guantanamo! 😉

    • Sandmann sagt:

      Jaaaaaaaaaaah……
      ich wundere mich auch immer wieder, wie gelassen doch meine Mutter eigentlich immer war. Oder hat sie vieles nicht mitbekommen? Ich war doch immer so ein lieber braver Junge…
      Und wie wenig doch letztendlich immer passiert ist… 🙂

      Sandmann

  4. bycan sagt:

    Ich erinnere mich noch genau an eine Folge, in der sein Pick-Up den Geist aufgegeben hatte und er von seiner Auftraggeberin einen Jeep bekam. Es war schrecklich für Colt.

    Nein, es waren sogar mehrere aufeinanderfolgende Folgen!

    • Sandmann sagt:

      Huch?
      So weit bin ich wohl nie gekommen…. Ich dachte, den hatte er immer? Einen Jeep? Doof. Ich glaube, wenn ich mich durch „Eureka“ und „Scrubs“ durchgearbeitet habe, gebe ich Colt nochmal eine Chance…

      Sandmann

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein bisschen Mathematik: *