Auf den Spuren der Traumwagen Teil 3

Ein paar 1000 Kilometer auf Fotosafari

Andacht vor der Technik

Andacht vor der Technik

Österreich, die Zweite. Es war gestern definitiv zu viel Auto für eine Geschichte (auch für zwei), also machen wir heute mit den verbliebenen abzulichtenden Boliden weiter. Ich bin noch immer bei Robert Willinger in Dornbirn, dem Mustang-Züchter mit der Miet-Stute, dem Einheizer der sündigen Kraftwerke mit Heckantrieb, dem Zuhälter der pornösen Plüsch-Hot-Rods – und heute dem souverän Gas dosierenden Drag-Strip Piloten und dem Farmer aus den swingenden Fourties. Wie? Was? Na, lesen Sie doch einfach weiter 🙂

Wir fangen erneut vorne an. Das kennen Sie ja bereits. Vorne, das ist eigentlich gestern und vorgestern. Und das ist eine Autobahntanke mit einem riesengroßen Kaffee (irgendwie erwische ich immer die von Jacobs, vielleicht sollte ich denen mal ein Sponsoring vorschlagen?) und einem nicht minder großen länglichen Backwaren-Konglomerat mit öliger Paste, vergorenen Milchprodukten und Grünzeug.

Highway Cerealienaufnahme

Highway Cerealienaufnahme

Das allererste mal seit meiner Zeit beim DAZ Verlag scheint seit Tagen die Sonne, obwohl ich Fotos machen will. Das war noch nie so. Der Audi V8 auf dem Rastplatz? Diesig. Die Opelsammlung von Marc Kleist? Regen in Hamburg. Adeles Coupé an der Elbe? Nieselregen. Martin Hofmanns Charger an der Oldtimertankstelle Brandshof? Bedeckt, leichte Schauer. Das Taunus Hardtop Coupé in Lüneburg bei Carracho Classics? Wolken und Kälte. Soll ich Ford fahren? Genug gelitten. Seit Montag bin ich unterwegs, seit Montag scheint die Sonne und meine neue Kamera und ich sind schon dicke Freunde geworden. Hallo schöner früher Morgen!

Ein echtes Jungs-Frühstück

Ein echtes Jungs-Frühstück

Besagtes Baguette, liebevoll garniert mit allem, was der Aral-Garten so hergab und raffiniert abgeschmeckt mit eingebackenen Oliven dehnt sich in meinem Magen auf dem weiteren Weg noch ein wenig aus. Wahrscheinlich brauche ich heute den ganzen Tag keine Nahrung mehr. In Dornbirn bekomme ich auch gleich noch einen weiteren Kaffee, und dann geht es auch schon mit der Arbeit los. Arbeit? Arbeit. Wir haben hier ein Chevy Nova Coupé, ganz leicht umgebaut und seinem Aufgabengebiet angepasst mit einem echten Manko: Es fehlt definitiv der Rückwärtsgang. Also schieben wir ihn raus aus der Halle, wo er schon knisternd und murmelnd auf mich gewartet hat…

Die Arbeit ruft, rückwärts geht nicht

Die Arbeit ruft, rückwärts geht nicht

Kein Rückwärtsgang? Nein. Warum auch? Die einzige aktuelle Aufgabe dieses amerikanischen Kleinwagens aus den 60ern besteht darin, möglichst flott aus dem Stand nach vorn zu fahren, und das über eine runde Viertelmeile. Tief liegt er. Dicke Reifen hat er hinten, wo die Kraft sich in den Asphalt graben soll. Und vorn steckt ein Motor im verstärkten Rahmen, der mich ganz stark an meine Matchbox-Autos aus der Kindheit erinnert. Ich hatte einige, da guckte aus der Haube immer noch so ein chromiger Klotz raus. So wie bei Mad Max. Hey – hätten Sie gedacht, dass es so was wirklich gibt???

Darf's noch ein bisschen mehr sein?

Darf's noch ein bisschen mehr sein?

Und das verrückteste daran: Der Bolide fährt auch! Wer von den Dornbirner Einwohnern noch nicht von unserem Dodge Coronet aus dem ländlichen Frieden vertrieben wurde, der ist hier und jetzt fällig. Diese Maschine hat nur eine einzige Aufgabe: Treibstoff in Bewegung umsetzen. Nicht schön, nicht komfortabel, nicht kompakt. Dazu muss sie im Standgas auch nicht rund laufen, Standgas ist nur was für den Moment kurz nach dem Anlassen. Sie will Vollgas, was anderes kennt sie eigentlich nicht. Willinger stellt hier und da noch ein paar Kleinigkeiten nach, während das Gewitter bockig am Aufziehen ist. Und dann geht es ab auf die Dorfstraße. Aber das ist eine andere Geschichte. Das Heft. Sie wissen ja….. Vielleicht hätte ich mich nicht in direkter Nähe des Motors aufhalten sollen. Himmel macht der einen Krach! So, Kaffeepause, und hier ist auch der versprochene Wuschelhund.

Kleine wuschelige Kaffee-Ablenker

Kleine wuschelige Kaffee-Ablenker

Welpen sind super. Besonders flauschige und puschelige Welpen, distanzlos, aufgedreht und perma-schlabbernd. Willingers Hund ist erst 4 Monate alt und bringt alle Qualitäten mit, einem das Herz zu brechen. Während der kleine Freund um mich herum, unter mir und auf mir herumturnt (sein Herrchen will das eigentlich nicht aber ich find’s klasse, meine Klamotten sind eh‘ schon durch von dem vielen Rumliegen auf dem Boden vor den Autos) unterhalten wir uns über Autos, alte Autos und alte Autos speziell in Österreich. Im Sommer ist hier in Dornbirn wieder das sehr beliebte US-Car Treffen, vielleicht komme ich ja auch einmal vorbei? Mein Navi kennt ja nun den Weg. So, weiter geht es, der Tag verlief bis jetzt schon sehr ereignisreich, meine Ohren piepen ein wenig wie nach einem Konzert von Meat Loaf… aber da ist noch ein weiteres Auto, was in die Hall of Fame aufgenommen werden soll.

Der is von Vaddi noch, ausm Kriech

Der is von Vaddi noch, ausm Kriech

Der Ford Pickup von 1940, dezent (oder auch weniger dezent) zum Cruising-Rod umgebaut, ist seit nunmehr über 70 Jahren unterwegs. Spartanisch, sexy, aktuell ein wenig übermotorisiert und mit liebevoll handgemaltem Tacho. Sonst eigentlich nix, aber mehr braucht es genau genommen auch nicht, um glücklich zu sein. Wir reiten den Laster in den nahe gelegenen Wald und geben ihm noch einmal das Gefühl, ein Arbeitstier zu sein. Zufrieden gluggernd bewegt sich der rostfreie Veteran erstaunlich gemütlich durch die Welt und hat zudem auch noch einen guten Antritt auf der Straße. Mehr braucht es nicht. Nach den Bildern fahren wir wieder zurück ins Dörfchen, wo verschreckte Bewohner sich langsam fragen, wie viele Karren wir eigentlich noch durch ihre Heimat scheuchen wollen.

TRÄUME WAGEN in Österreich

TRÄUME WAGEN in Österreich

Ein wunderbarer Wagen. Und man kann ihn sogar kaufen….. Wäre es nicht großartig, mit so einem kleinen Truck bei Aldi vorzufahren und die Wocheneinkäufe lasziv auf die Ladefläche zu werfen? Ha! Mir persönlich fehlte allerdings der Rücksitz, aber ich bin ja mit meinem Passat aktuell auch nicht das Maß der Dinge. Wir sind soweit. Ich habe alles im Kasten. Heute Abend schlafe ich auf der deutschen Seite der Grenze in einem per Internet gebuchten Hotel im Allgäu. Ganz oben in den Bergen. Und da muss ich zunächst einmal hin. Auch heute fällt niemandem auf, dass ich einige Kilometer auf österreichischen Autobahnen plakettenfrei unterwegs bin, ich beschließe, das aus Versehen eingesparte Geld heute Abend in einen Vignetten-Memorial-Landwein umzusetzen. Berge. Jetzt.

TRÄUME WAGEN in Österreich

TRÄUME WAGEN in Österreich

Wenn auf dem Navi gedärm-gleiche Straßenverläufe auftauchen, bin ich einerseits froh, kein Beifahrer zu sein und andererseits, dass wir nicht in Italien oder Frankreich sind. Da hätte man auch auf den wahnwitzigsten Serpentinenpisten bei reifenquietschenden Geschwindigkeiten noch immer jemanden hinter sich, der vorbei will. Hier auch. Das liegt allerdings daran, dass ich mir Zeit lasse, denn die Kurven sind so verrückt, dass mir sogar am Steuer latent schlecht wird… Aber ich habe ein Herz für eilige. Mit einem TDI älteren Semesters bleibt einem eigentlich auch gar nichts anderes übrig, will man nicht permanent genötigt werden. Ich halte mal an und lasse ein paar ungeduldige Eingeborene vorbei, die auf dem Nach-Hause-Weg zu ihrer inzestösen Familie sind.

TRÄUME WAGEN in Österreich

TRÄUME WAGEN in Österreich

Und finde… Schnee! In den schattigeren Ecken dieses abgelegenen Bergidylls hat der verschwunden geglaubte Winter noch ein paar Markierungen hinterlassen, die beim zeitreisenden Blogger einen gewissen Spieltrieb entfachen. Gut, dass ich meine Winterreifen noch draufgelassen habe, wie hoch sind wir hier eigentlich? In dieser Gegend, die nur wenige Menschen vor mit betreten haben denke ich über Ruhe und Frieden nach, über Langsamkeit und Landwirtschaft, über Horizonte und Raubvögel und über einsame Menschen und ihre Tiere. Eine ganz andere Welt als die, aus der ich ein paar 100 Meter weiter unten gerade noch herausgefahren bin. Ich habe Lust, einen Schneemann zu bauen.

Sandmann und Schneemann

Sandmann und Schneemann

Worüber der strahlende Sonnenschein und der blaue Himmel allerdings hinwegtäuschen: auch zurückgebliebener Schnee ist sehr kalt an den Fingern, also gestalte ich mit den besten künstlerischen Absichten lediglich einen kleinen, gesichtslosen einheimischen Schneemann und konzentriere mich im Abendsonnenschein wieder auf mein Ziel am Ende der Route. Röthenbach im Allgäu, wo mir eine Hotelbörse im Netz den Landgasthasthof Post empfohlen hat. Auf geht’s. Vorglühen, durchatmen, losdieseln. Mach’s gut, kleiner Schneemann. Halt so lange durch, wie es geht, such dir ein schattiges Plätzchen und lass dich nicht von der Sonne einschmelzen. Der nächste Winter kommt bestimmt!

Na hier ist ja was los!

Na hier ist ja was los!

Ich glaube ja, dass Röthenbach im Allgäu eines der gesellschaftlichen und kulturellen Zentren der Region ist. Hier gibt es schlicht alles, was das Herz begehrt. Ein hier aus Versehen Durchreisender wird von der Vielfalt der lokalen Angebote schlicht übermannt und ist (wie ich) froh, dass ihn die Kirchenglocken dumpf und angenehm sonor im Viertelstundentakt aus der Faszination reißen und auf den Boden zurück bringen. Ich stopfe mir ein Pfeiffchen und schmauche erst einmal ein vanilliges Wölkchen zum Abschluss eines arbeitsreichen Tages, während ich die örtlichen Highlights studiere und mich der Vielfalt der Anschlagtafel vor der Kirche ergebe. Mann, hier ist echt was los.

Was so auf dem Land passiert

Was so auf dem Land passiert

Aber ich habe ehrlich gesagt für die letzten 12 Stunden genug Kultur gehabt, so dass ich mich spontan gegen einen Besuch im Musikerheim oder einem durchzechten Abend auf dem Bockbierfest in Grünenbach entscheide. Auch wenn es mich sehr interessiert hätte, was denn Gaudi Quattro ist. Und mit wie vielen Zylindern die wohl anblasen kommen. Nein, mich rufen die Landhausidylle und der seit langem angedachte Vignetten-Memorial-Wein im Landgasthof, vor dem ich als einziger Übernachtungsgast mein jägergrünes Reisegefährt parke. Eine anheimelnde Gaststube voller essender Landwirte und eine fröhliche Wirtin lassen ein spontanes Wohlsein in mir reifen. Das hier ist kein Wanna-Be, hier ist tatsächlich jeder einzelne Stuhl mindestens 30 Jahre alt, sauber und freundlich. Und die Einrichtung wollte auch nie etwas anderes sein. Schön.

Verweilen im Allgäu

Verweilen im Allgäu

Inzwischen bereue ich einen kleinen, heimlichen Abstecher zu Burger King vor zwei Stunden, weil ich glaubte, in den höheren Bergregionen vielleicht wegen Verständigungsproblemen verhungern zu müssen. Was mir hier entgegenduftet gehört ganz eindeutig zum landgasthöflichen Premium, ist preiswert und definitiv besser als die in Weißmehl gewendeten Rindfleischersatzprodukte und Kartoffelstäbchen der amerikanischen Fastfood Kette. Aber egal. Ich bin satt, schade, also lasse ich mir alternativ mein Zimmerchen zeigen. Ein großer dicker Schlüssel mit Holzbömmel. Ein Eckzimmer.

Eine kleine Landpartie

Eine kleine Landpartie

Ein Traum in Rosa und Echtholz. Zwei schmale, keusche Einzelbetten, rustikale Bauernschränke, ein rosa Nachttischlämpchen und ein Blick auf den Friedhof und die Kirche. Großartig. Ich kenne einige (vornehmlich weibliche) Menschen, die so eine Einrichtung als den ultimativen Headshot der Geschmacksnerven bezeichnen würden. Mir egal. Ich bin glücklich. Wann ich frühstücken möchte kann ich mir aussuchen, die Wirtin macht mir das dann frisch fertig. Das klingt nach einer anderen Nummer als die Plastikorgie im Etap Hotel Mannheim. Finden Sie es hier gern furchtbar – ich fühle mich wohl. Es ist unfassbar still, von unten dringen leise die fröhlichen Gespräche und das Gläsergeklapper der Gäste und ich komme allmählich zur Ruhe. Und sogar ein W-LAN gibt es hier.

Von der Seele schreiben

Von der Seele schreiben

Den örtlichen Bodensee-Wein belasse ich allerdings für heute einmal in meiner Tasche und greife auf bewährte Produkte von der anderen Seite der Welt zurück. Der Australier lag noch in meinem Auto, warum auch immer, und untermalt mir auf angenehme Weise das Durchsehen der Bilder. Prost! Auf die Vignetten. Visuelle Erlebnisse, geschmacklich und olfaktorisch begleitet und unter Ausschluss von Audio – klasse. Wenn Sie wüssten, was ich für großartige Fotos mitgebracht habe! Aber die zeige ich jetzt noch nicht, die kommen wie immer dann später in den gedruckten Heften. Denn es ist ja ein Roadmovie, ein Making-Of. HIER (klick) ist die offizielle Version. Morgen geht es nach München zur Katze und ihrem Audi V8. Aber vorher werde ich in meiner rosa Wunderwelt müde und zufrieden einschlafen und … vielleicht noch….. chchch…..

zzzzzzzzzzzzz

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

6 Antworten zu Auf den Spuren der Traumwagen Teil 3

  1. bronx sagt:

    Jupp! Das ist doch mal was anderes als ETAP!
    Hätte ich auch angefahren. Was willst du nach so einem Tag mehr?

    Der Pick-Up ist genial, der Nova einfach unfassbar brutal im optischen Auftritt.
    Meine Ohren würden auch alle möglichen Geräusche erzeugen, angesichts der produzierten Druckwellen und Ansauggeräusche.

    Sei mal ehrlich, nach so einem Tag schläft man doch entweder ganz schnell wegen Reizüberflutung ein, oder überhaupt nicht?

    Bronx

    • Sandmann sagt:

      Ich schlief schlecht.
      Das lag tatsächlich nicht an dem schmalen, aber erstaunlich bequemen Bett. Ich glaube es war tatsächlich eine Form von Reizüberflutung, gekoppelt mit der Erkenntnis, dass ich hier gerade meinen Job mache und nicht im Urlaub bin 🙂 Dieser Mangel an Schlaf und die vielen Impressionen, die es nun gilt in Artikel zu pressen haben allerdings irgendwas verursacht, was mich heute, eine Woche später, immer noch müde sein lässt. Ein Jet-Lag sozusagen.

      Autos sind schon was großartiges….

      Sandmann

  2. Snoopy sagt:

    Na ein Sandmann kann sich doch selber einschläfern 😉

  3. calimero sagt:

    Alter!
    Was ist das denn für eine Wahnsinnskarre? Das gibts ja eigentlich gar nicht, darf die ohne Rückwärtsgang in den öffentlichen Straßenverkehr?
    Ihr seid so abgefahren. Ich lauf heute mal los, am Ostermontag, und gucke ob unsere Tanke hier die Träume Wagen hat. So langsam muß ich mich da wohlmal reinlesen 😀
    Abel

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