Die Zeiten ohne Chip an Bord sind offensichtlich schon länger vorbei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Denn die neue Technik, die Elektronik, die in unseren Alltag, unsere Telefone und in unsere Autos einzieht, das Silizium, das den Verkehr nicht zuletzt auch sicherer macht, bietet auch echte Vorzüge. Heute Morgen hat mein Audi einen schlechten Morgen. Irgendein Steuergerät ist wohl noch nicht ganz wach und meldet gähnend nicht zu interpretierenden Datenmüll. Dieser wiederum wird von der Motronic mit der Information des drehenden Anlassers kombiniert und mit mindestens acht Referenzwerten diverser kleiner, emsiger und dienstbeflissener Geber und Fühler verglichen. Die Motronic kommt altklug zu dem Schluss, dass es draußen heute ein schöner Tag werden wird, aber dass sie den Zündfunken an die Kerzen doch lieber verbieten sollte. Und da die Benzinpumpe mit den Jungs gestern noch einen getrunken hatte, bleibt sie auch lieber verkatert untätig. Und schmollt.
Wenn Opas Käfer nicht sofort ansprang, war der Fehler schnell gefunden: die Kerzen verrußt oder eine Düse im Vergaser zu… gute Zeiten. Mit Internet erprobtem Gönnerblick drücke ich hingegen die richtigen Tasten am Display meiner Klimatronic und lese die Codes des Fehlerspeichers aus. Böhmisch soweit, da ich so früh am Morgen nicht die ausgedruckte Vergleichstabelle finde. Erste Vermutungen deuten (mal wieder) auf einen defekten OT-Geber hin. Das hatte ich schon. Die Hoffnung steigt. Noch ein paarmal beherzt den Schlüssel gedreht – und plötzlich startet die Fuhre und läuft rund. Schnell zur Arbeit, alles wird gut.
Natürlich habe ich auf dem Heimweg einen neuen, glücklicherweise lagerhaltigen OT-Geber gekauft. Der Einbau gestaltet sich interessant, könnte einen eigenen Beitrag locker füllen, nur soviel: Wenn man den Luftfilterkasten und noch ein paar Kleinteile abgebaut hat, dann kann man die beiden 10er-Schrauben an der Motorseite gut sehen. Man kann sie aber auch ertasten, unter dem Wagen, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Beides geht nicht. Und selbst David Copperfield könnte keine Stecknuss dorthin zaubern, nicht ohne fünf Gelenke…
Nun bin ich aber nicht Copperfield und mache das schon zum zweiten Mal. Kurz und gut: Der V8 fährt wieder und springt auch tadellos an. Mir kommen da ganz andere Argumente in den Sinn, eine Diskussion über Elektronik im Auto, über die kleinen Helfer, die sich um das Wohlbefinden des Aggregats, um das Entertainment der Passagiere und um das allgemeine Fortkommen des Gesamtkunstwerkes verständigen.
Ich habe mich daran gewöhnt, zuerst einmal ein paar Aggregate und Anbauteile im Motorraum abzubauen, wenn ich irgendwo ran will. Da ich zwischendurch mit einen Citroen XM fremd gegangen bin, beschwere ich mich nicht. Aber wie zuverlässig wird sensible Mikroelektronik in einigen Jahren sein? Ich habe es ja noch mit dem 486er unter den prozessorgesteuerten Regeleinrichtungen zu tun, da ist ein Steuergerät noch ansatzweise von Hand nachzulöten. Und mit dem Laptop lassen sich alle Werte des Autos über Schnittstellen im Beifahrerfußraum sauber ablesen. Lassen Sie sich diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen und denken Sie dabei an Ihr erstes Auto…
Segen der Technik oder Fluch der zukünftigen Youngtimer-Gemeinde? Wir stehen beim ortsansässigen Autoverwerter vor optisch fabrikneuen und vollverzinkten Fahrzeugen, die hier liegen, weil der Kupferwurm im Motorkabelbaum steckt, die hier ausbluten, weil die Cockpitplatinen gebrochen sind und einen Kabelbrand in den Steuergeräten verursacht haben, die mit Pixelfehlern in den Displays und von der Sonne verblichenen Multifunktionspanels übereinander geworfen werden, weil es im neueren Modell Parkwarner und ein besseres Navigationssystem gibt.
Kehren wir Schrauber zurück zu den rostenden Kindheitserinnerungen der 70er und 80er Jahre, wo wir marode Bleche schweißen müssen, aber die Karre wenigstens fährt. Oder stehen wir vor einer neuen Aufgabe, die mehr im Austauschen von Baugruppen, Erneuern von Kabelbäumen, Nachlöten von Steckverbindungen und Durchmessen von Schaltkreisen liegt? Ist nicht auch das reizvoll? Was meinen Sie?
Ich jedenfalls warte auf die erste Meldung über den Verkehrsfunk, dass das Navigationssystem statt der Stauumgehung einen Trojaner einfängt, über Bluetooth alle Handykontakte rausschickt, die Steuergeräte resettet, den IPod formatiert, die Zentralverriegelung schließt und die Heizung aufdreht. Abwechslung im Alltag durch Elektronik. Und ich fahre weiter!
Sandmann