Und wieder auf der Straße….

Ay Gemeinde,

Postapokalyptische Himmels-Szenarien

Postapokalyptische Himmels-Szenarien

Es ist – und deshalb liebe ich unter anderem diesen Job – immer wieder ein großartiger Moment, wenn ich mich am frühen Morgen ins Auto setze, um quer durch das Land zu den Lesern der TRÄUME WAGEN zu fahren und ihre mehr als besonderen Autos zu fotografieren… Heute übertrifft sich diese Großartigkeit noch selbst, denn heute geht es ganz asketisch alleine und ohne Beifahrer auf den laaaangen Weg von Hamburg nach Stuttgart/Ludwigsburg, darüber hinaus nicht in irgendeinem neuwertigen Vertreter-Kombi – sondern in meinem goldenen 1975er Ford Taunus Coupé! *hach* Und auch die Ziele können sich sehen lassen, sonst würde der DAZ Verlag nicht eine solche Tour in Auftrag geben: Heute Nachmittag treffe ich mich mit Ralf Krause bei einem kleinen Lustschlösschen. Der ursprüngliche Zweck dieser Anlage ist heute um seine Körperlichkeit beraubt, vielmehr wage ich eine Liäson mit seinem 1966er FIAT 2300. Gekauft als billige Studentenkarre, und er ist noch immer da. Aber erstmal muss ich selbst auch so weit kommen…

Mit dem Öl nicht sparsam sein...

Es ist nicht ausschließlich der spätsommerliche Morgentau, der vom Lack meines geliebten Alltags-Klassikers abperlt – es ist leider auch eine Menge Regen dabei. Irgendein Wettergott hat sich irgendwann mal dazu überreden lassen, Fotosafaris nach Süddeutschland mit ausgiebig schlechtem Wetter zu begleiten. Das scheint ein Himmels-Gesetz zu sein, aber vielleicht gibt es ja irgendwo ein paar von Venus oder Thor freigeblasene Wolkenlücken, schließlich trennen mich vom zu fotografierenden Objekt noch satte 700 Kilometer. Da gönnt man dem alten Ersthand-Herren doch einen guten Schluck Extra-Öl, damit sein 2-Liter Vierzylinder die Strecke auch gut geschmiert abspulen kann. Autobahn – ich komme!

Der Sonne entgegen...? Nein.

Wie sieht denn IHR Arbeitsplatz so aus…? Meiner (auf solchen Touren) besteht aus einem analogen Cockpit nebst dünnem Bakkelit-Lenkrad, einem munter quatschenden Navi (es heißt “Lisa”), einem Laptop im Standby auf dem Beifahrersitz (man möchte ja regelmäßig online sein) und einem iPhone, dessen frisch upgedatetes Musikrepertoire über ein Klinkenkabel aus einem Logitech Soundwürfel im Beifahrerfußraum quaddelt. Das originale Taunus-Radio können Sie auf langen Strecken vergessen, da muss ich mir nochmal was einfallen lassen. Um 15:00 Uhr will ich in Ludwigsburg bei Schloss Monrepos sein, und bisher sind erstaunlicherweise keine Staus in Sicht… Hatten die Griechen da nicht auch einen Gott für?

Pausen mit Rastplatz-Charme

Es bleibt sogar ein bisschen Zeit für einige notwendige Pausen… nicht, dass das 38 Jahre alte Knudsen Coupé (gebaut 1974, zugelassen 1975) irgendwelche Pannen oder Zicken hätte, nein nein, wo denken Sie hin. Vielmehr wird sich der langsam alternde Fahrer dreispurig darüber klar, dass er keine 20 mehr ist und nicht wie damals in einem Rutsch automobil an die Côte d’Azur schreddern kann. Ab und an werden also die Knochen gestreckt, die Füße aus den müffelnden 50er Jahre Segeltuchturnschuhen befreit und die Finger ein wenig entkrampft. 140 Durchschnitt ohne Servo ist eine kleine Herausforderung zwischen all den hektischen, hochgezüchteten Komfort-Kleinwagen da draußen. Kaffee. Jetzt.

Petrus zeigt sich (noch) gnädig

Wenigstens spielt Petrus mit, die Schleusen des Himmels halten angenehm dicht und begeistern interessierte Fernreisende mit leicht bedrohlichen Wolkenschauspielen irgendwo da oben… Thor scheint seinen Hammer allerdings noch nicht gefunden zu haben. Das ist auch ganz gut so, dass die Tropfen da oben bleiben, nicht nur für die anstehende Fotoserie. Ich weiß nicht so recht, wie dicht mein Auto ist, habe ich doch erst kürzlich eine neue Teleskopantenne durch den linken Kotflügel ins Innere verlegt. Ich bekomme doch so ungern nasse Füße… So, weiter geht’s. Gleich bin ich da und kann mich trotz bewusst gelebter 70er-Jahre-Entschleunigung ein wenig vom doch sehr präsenten, hochtourig krakeelenden Pinto-Vierzylinder erholen. Einen Toast auf die Musik. Tandaradei.

Das war klar. Da kommt der Regen!

Und da warten auch schon Ralf Krause und sein Fiat 2300 auf mich vor Schloss Monrepos. Bitte sagen Sie, wenn Sie sich den Namen im Kopf mal vorsprechen, NICHT wie alle anderen hier [monn reposs] sondern versuchen Sie BITTE, mit ein wenig sprachkulturellem Anspruch sowohl das Wort “mon” als auch das Wort “repos” französisch nasal auszusprechen. Danke. Übersetzt bedeutet das “meine Ruhe” und ist hier und heute wörtlich zu nehmen, denn wahnsinnig viele Besucher sind außer uns nicht da. Das mag am Regen liegen, der genau in dem Moment beginnt, als ich aus meinem Auto aussteige und die Kamera hole…

Selbst da ist es irgendwie gemütlich

Was soll’s. Auf diese Weise bekommen die Bilder für den Artikel einen ganz speziellen, humiden Charme. Das 46 Jahre alte Auto kann alle seine kleinen Lämpchen und Lichter zur Schau stellen, während mich Krause mit Herren-Regenschirm um den Wagen herumführt. Fahrer und Fahrzeug sind jeweils ein Unikat! Er hat den Wagen in den 80ern als spektakuläre Studentenkarre gekauft, dann darin geheiratet – und irgendwie (man kennt das ja auch) konnte er sich niemals von dem damals schon sehr seltenen Sechszylinder trennen. Also hat er ihn noch heute!

Zeit zur Besinnung auf das Wesentliche

Zwischendurch klart es erstaunlicherweise immer mal wieder auf, und wir können das schwarze Auto in dieser grünen Umgebung stilecht platzieren. Alles hier scheint friedlich und Ruhe stiftend, sei es die aus Gründen der Romantik extra vom Herzog angelegte “Ruine” im See, die langen Kieswege oder das große Weingut in den hinteren Hallen. Viel Wasser perlt vom hochglanzpolierten Lack ab, während Krause mir die Geschichte seines Autos erzählt und mir und meiner Kamera die vielen liebevollen Details zeigt, die der italienische Konzern damals in seinen Angriffsversuch auf die S-Klasse eingebaut hat.

SO sehen zufriedene Fahrer aus

Das Konzept von Fiat ging seinerzeit nicht auf, meins schon. Die Bilder sind im Kasten, ein heißer Kaffee im gemütlichen Schlosscafé schwappt in meinem Bauch und viele neue Informationen über ein mir bis dato recht unbekanntes Oberklasseauto kreisen in meinem Kopf. Ein verschmitzt lächelnder Ralf Krause legt den ersten Gang ein, freut sich auf den Bericht und fährt dieses besondere Auto gemächlich zurück zu seiner Ehefrau, die noch immer an seiner Seite ist. Soviel zur Definition einer kleinen Ewigkeit. Der Fiat wird bei der ihm zuteil werdenden Pflege noch lange das Straßenbild rund um Stuttgart bereichern. Und ich? Ich muss unter all dem göttlichen Himmelsspektakel weiter nach Darmstadt, da ist mein Hotelzimmer, denn morgen geht es ja noch weiter…

On the road again

Schon ein wenig müde rollt El Dorado in Richtung Nordwesten in ein sich nicht wirklich besserndes Wetter, was eine seltsam postapokalyptische Abendstimmung hervorruft. Der Taunus schnurrt wie ein Jahreswagen (nur ein bisschen lauter), und nach nun über 850 Kilometern seit heute Morgen um 7:30 Uhr sehne ich mich plötzlich nach einer griechischen Nostradamus Weltuntergangs Platte mit Krautsalat und einem Glas Griechischen Wein. Das sollte sich einrichten lassen. Irgendwann bei Dämmerung komme ich im Etap Hotel Darmstadt an. Ich mag die ja, diese Plastik-Welten der gerade in Ibis-Budget umgetauften Hotelkette. Verzeihen Sie mir. So haben wir jeder unsere Macke.

Gute Nacht mein Taunus...

Und somit bin ich auch das erste mal in meinem Leben in Darmstadt. Mein Taunus vermutlich auch, sein bisheriges Dasein verbrachte er als offiziell hohlraumkonservierter Export im kalten Schweden. Ich bette ihn in einer spooky Tiefgarage in einer schmalen, defekten Autofahrstuhlbucht, begebe mich direkt in den griechischen Tempel der Nahrungsmittel und anschließend in meine großes, gemütliches Etap Bettchen. Von da aus lade ich, angestrengt die Unmengen Fleisch verdauend, alle Fotos auf den Server, damit die Layouter schon mal loslegen können. Morgen treffe ich Stephen King’s Christine. Aber das ist eine andere Geschichte.

Schönes Wochenende!
Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

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