Ay Gemeinde,
da lese ich gerade die aktuellen Zulassungsstatistiken und entnehme diesen, dass es Autodeutschland doch gar nicht so schlecht gehen kann. Genau. Grund genug, wieder einmal den großvolumigen Achtzylinder aus der Parkbucht zu rangieren und den Kompass in Richtung Süden auszurichten. Viel muss man ja nicht mitnehmen, Zahnbürste, Hut, Musik… Also stürze ich mich, blauäugig ob der Distanz, in einen Kurztrip von Kiel nach Altingen im Schwarzwald. Freitag hin, Sonntag zurück. Das alles mit meinen V8 4.2 und seinen langstreckentauglichen Sesseln. Folgen Sie mir für zwei Tage in eine Baden-Württembergische Welt voller Dialekte, voller Rotwein, voller Beweisfotos und voller Autobahnkilometer!
Die Strecke Hamburg – Bopfingen sei nicht detailliert erwähnt, unspektakuläre 650 Kilometer, ein Tankstop, vier Kaffee, zwei Cheeseburger und ein Vanillemilchshake. Ich wundere mich, wie schnell ich in Bayern bin. Und auch in einer leichten Rechtskurve schon wieder raus.
Aufmerksame Leser der Blogs UND der Kommentare (ich gebe zu, dass letzteres zuweilen anstrengend sein kann) werden sich an diese zwei neuen Vokabeln entsinnen. Bopfingen und der Ipf. Immer noch lachen müssend mache ich diesen kleinen Umweg in dieses schwäbische Idyll, just for the picture. Auf dem Marktplatz (Bild ganz oben) werde ich wie ein Außerirdischer angestarrt, viel Tourismus scheint es hier nicht zugeben. Ja und der Ipf… unwissend gehe ich davon aus, dass es der stadtnahe Hügel mit der interessanten Burgruine drauf sein muss. Aber nein. Es ist der kahle Tafelberg gegenüber. Ich denke an zugewachsene Müllhalden oder Indianerfriedhöfe. Nu hascht Sie und ich amool den Ipf g’sehn.
Ich habe Halloween umgebracht!
Warum liegt er da auch so rum? Der Kürbis? Noch völlig im Bann der beeindruckenden Ipf-Panoramen starte ich leicht verstrahlt den Wagen, sage meiner Navi-Lisa, sie möge mich nach Aalen bringen und fahre unbedarft vorwärts… Stellen Sie sich das Geräusch vor, was eine aufgedunsene, tot in einem Tümpel treibende Katze macht, wenn man sie… nein, stellen Sie es sich bitte nicht vor. Und fühlen Sie bitte auch nicht nach, was mir im ersten Moment für Gedanken durch den Kopf gehen, als es unter meinem Auto knackplatscht. Heftig erleichtert diagnostiziere ich jene Gruselfrucht, die unter den 225er Winterreifen zerplatzt ist wie eine reife Tomate. Es wird für immer ungeklärt bleiben, warum auf diesem Parkplatz ein riesengroßer reifer Kürbis lag.
Bevor wir zur Schmiede nach Altingen fahren, lassen Sie mich ein paar Worte über Aalen verlieren. Schön ist es hier. Man ist hier gern Gast, fragt sich allerdings, wie jemand hier auf Dauer leben kann. Eine übersichtliche Fußgängerzone, nette kleine Läden, viele Menschen mit Oberlippenbärten und ein Horizont, der nur knapp bis hinter die Stadtgrenze reicht. Meine liebe Gastgeberin ist der gleichen Meinung und kennt immerhin eine riesengroße Weinhandlung, wo man jeden Tropfen vor dem Erwerb ausgiebig verköstigen kann. Ah. In maßen, mit ein bisschen Brot, wir müssen noch fahren. Die fährt? Ah, gut. Ach ja, das ist doch alles ziemlich lecker hier. Und hey – achten Sie auf die Koteletten. Diesmal sind sie echt!
Noch eine weitere Station ist abzufahren, bevor dem Schmied gehuldigt werden kann. Stuttgart. Hier bleiben drei Dinge nachhaltig in meinem Kopf: Erstens: Das Treffen der Typ44 Community, also die Jungs, die einen Audi 100 nach 1983 fahren. Ein echt netter Haufen, auch wenn ich parallel zu deren gebrunche nur Zeit für ein paar Kaffees hab, ich muss ja weiter. Schön, zu hören, dass man offensichtlich in jedem noch so guten Internetforum mit Online-Psychos zu kämpfen hat, welche die gute Stimmung kaputt machen. Zweitens: Jens. Noch ein Jens. DER Jens, den ich in Hallau bei Remo’s Käsefondue kennen und schätzen gelernt habe. Wie schön, den Guten hier wieder zu sehen. Drittens: In Stuttgart braucht man eine Umweltplakette auf dem Auto. Ups? Das kennen wir in Norddeutschland noch nicht so recht. Bekomme ich die für mein Auto??? Schnell weg…
Widmen wir uns den ursprünglichen Inhalten dieser Internetseiten hier. Manchmal vergesse ich das ein bisschen…
Autos. Motoren. Altes, unzerstörbares Blech. Die V8-Schmiede in Altingen und ihr Schmied Carsten haben zu Schnitzeln und Kartoffelsalat inmitten all dieser Autos geladen. Denn er selbst… darf ich das hier schreiben?… zählt nun 40 Lenze, also wesentlich 🙄 älter als ich, und das muss man ja zu gegebener Zeit feiern. Ist das da nicht ein Jaguar XJ6 auf dem Hof? Steht da nicht ein Schild mit „zu Verkaufen“ drin? Schrauberpapst Konnoodium der Zweite, Seine Heiligkeit ich auch endlich mal bewusst begrüßen darf, begutachtet den gesunden Reihensechszylinder und lässt sich eine kleine Probefahrt durch altingens Kreisverkehre mit Peterling und mir wie Teenager schreiend auf dem Rücksitz nicht nehmen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Als das panierte Schweinefleisch weitestgehend verdaut ist und die Gäste schon zum Kuchenbuffet pendeln, packt der Schmied die Gaben aus. Wir Norddeutschen sind da ja bodenständig, V8-Retter Tom sendet zwei Flaschen „Möwenschiss“ und ich eine Geschenkbox mit Kieler Korn samt Gläsern. Trinkt der Herr überhaupt Alkohol? Aber vor Ort kennt die liebevolle Heimarbeit keine Grenzen. Der grooooße Schraubenzieher entpuppt sich als Herberge für allerhand neues, schwer vermisstes und hochwertiges Werkzeug. Die Jungs können also ungehemmt weiterschrauben und noch viele, viele der überlebenden Audi V8 nicht schlachten – sondern retten!
Was kommt heraus, wenn man auf ein ohnehin schon furchtbar schnelles Motorrad noch einen Kompressor vom Mercedes SLK baut und dann den Konnoo da drauf setzt? Jede Menge Qualm, begeisterte Nachbarn, lustige Kreise auf der Straße und ein Jaguar XJ6 voller abgeriebenem schwarzem Gummigebrösel. Unter spektakulärer Geräuschkulisse wird den Gästen hier ein nahezu haptisches Erlebnis geboten, was man hören, fühlen und schmecken kann. Von den 20 anwesenden Schutzengeln haben 19 direkt im Anschluss ihren Vertrag nicht verlängert. Vielleicht genügt dem Konnoo ja der eine mutige…
Wer… hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Der Sonntag driftet in den Nachmittag, eigentlich will ich längst wieder unterwegs sein. Reifenprofi Carsten attestiert meinem rechten Vorderrad nach einem heftigen Kantsteinkontakt einen Kaskettenbruch. Was mich nicht gerade entspannt, habe ich doch exakt noch 800 Kilometer vor mir! Noch einmal den Gastank für 70 Cent pro Liter vollgemacht und den Charme der Autobahn erneut erlebt. Der V8 gleitet erhaben mit 140 dahin, ich höre nur den Wind und lasse mich vom Duft des Leders und der angenehm warmen Sitzheizung umschmeicheln. Erst nach fast genau 400 Kilometern ist das LPG alle, da bin ich schon wieder oben in Kassel…
Hallo Zahlenmystik. Wenn man ohnehin seit dem Studium der Romane von Douglas Adams die 42 als Lieblingszahl hat und wenn das eigene Auto einen Hubraum von 4.2 Litern aufweist… dann bringt einen dieser Kilometerstand fast aus dem Häuschen! 420.000 Kilometer! Mehr als 10 mal um die ganze Welt! Wenn das keine Qualität ist. Na schön, ganz so aufgeregt bin ich dann doch nicht, vielmehr hätte ich den Moment fast verpasst, weil ich so einen Hunger habe. Deshalb auch nur ein schnell gemachtes Beweisfoto während der Fahrt, diesmal bin ich aber langsamer geworden…
Habe ich das alles nur geträumt? Ich sitze hier in Kiel, und gerade war ich noch im Süden, bei 18 Grad, im Schwarzwald? Klasse. Was für ein wunderschönes Wochenende, randvoll mit Autos, Rotwein und lieben Menschen. Kennen Sie solche Touren auch? Fahren Sie auch so gern 2100 Kilometern allein, ohne Beifahrer, einfach nur asketisch Musik hörend? Sind das nicht die einfachen Glücksgefühle? Schön, dass sowas möglich ist.
Ein beseelter Sandmann 🙂