„Ein Wagen, wie Sie ihn sich wünschen!“

Höchst amerikanisch. Klasse.

Mit Vorkriegstechnik und Variantenreichtum auf Platz 2 der deutschen Zulassungsstatistik – wovon Opel heute nur träumen kann, gelang den Rüsselsheimern in den frühen 60ern quasi „aus der Hüfte“. Der Opel Rekord P2 konnte mit vier Karosserieformen punkten und avancierte zur Referenz in der Mittelklasse. Mit dem gut motorisierten Coupé erschloss man sich neue Käuferschichten und baute drei Jahre lang den „Rasenden Kofferraum“. Wie macht er sich heute auf der Straße?

Boot neben Boot

Der Kieler Dieter Lange ist in den 60ern gebaut worden und seit seiner Kindheit der Marke mit dem Blitz verfallen. Noch Anfang des Jahres rollte er mit seinem Opel Commodore B GS/E durch den stürmischen Norden rund um die Förde, dicht gefolgt von seiner Frau Nadine im eigenen Manta A. Seid ihr auch gemeinsam Markenfans? So oder so – klickt mal auf die Seite vom Oldtimer Spezialversicherer Hiscox und schaut, was euer Auto da im Jahr (nur) kosten würde. Das Opel-Doppelglück schien perfekt und durch nichts zu erschüttern. Doch im Februar stand er auf einer Messe einem Rekord P2 Coupé gegenüber und wurde sehr still. Ob es jetzt der Wunsch nach ein wenig Entschleunigung in der Mitte des Lebens war, eine unerfüllte und unterdrückte Liebe über Jahrzehnte oder einfach das Gefühl: DAS ist er! ist nicht überliefert. Er musste den haben.

Ab ans Meer

50 Jahre in Schweden

Der flache, langgestreckte Opel wurde in den 60ern in Schweden ausgeliefert und dort über die Jahrzehnte von vier verschiedenen Besitzern gefahren. 2012 kam er nach Deutschland zurück und bekam TÜV und H-Abnahme, wurde aber nicht zugelassen. Er wechselte erneut den Besitzer, wurde aber dann in Bremen wieder nicht zugelassen. Der teilrestaurierte Zweitürer wanderte anscheinend über mehrere Messen, und hier stand er nun. Nach zwei Monaten zäher Verhandlungen mit dem Vorbesitzer wurde der geliebte Commodore in Zahlung gegeben und der treue Manta A verkauft. Nun passte es. Weil der Rasende Kofferraum die vergangenen Monate nur sehr wenig bewegt wurde holte Lange ihn vorsichtshalber mit einem Trailer ab, stellte ihn sich erstmal vor die Haustür und sinnierte über das, was er da sah.

Lang. Er ist laaaaaang.

Altes mit neuen Namen

Schuster, bleib bei deinen Leisten – aber gib ihnen neue Namen. Während ganz Paris noch zusammen mit Catarina Valente von der Liebe träumte, wurde Deutschland 1960 mutiger in seinen Ausdrucksformen automobilen Zeitgeists. Die Pressemitteilungen wurden progressiv und blümerant. Als im Sommer 200 Journalisten, Reporter und Fernsehmacher in die Rüsselsheimer Markthalle geladen wurden, standen Sie vor einem Auto, das zugleich neu und altbacken war. Der Opel Rekord P2 (das P stand immer für das Stilmerkmal „Panaoramascheibe“) malte dem Publikum greifbare Bilder von Form und Fortschritt in die neugierigen Köpfe.

Baby you can drive my car

Der Wagen kam mit progressiven Sicherheitsmerkmalen wie die gepolsterte Oberkante des Armaturenbretts und eine versenkte Lenkradnabe. Das korrespondierten mit einer Karosserie, die um den Innenraum herum gestaltet wurde. Alle noch beim P1 zu findenden, leicht knubbeligen Rundlichkeiten wichen einer kantigen Trapezform mit der Betonung auf die Horizontale. Den Abschluss am Heck bildeten zwei herrlich amerikanisch wirkende kleine Doppellämpchen, die von der Presse umgehend den damals gewagten Spitznamen „Teenager-Titten“ bekamen.

Rücklichter als Presseliebling

Der rasende Kofferraum

Opel setzte auf Artenvielfalt. Die Limousine rollte mit zwei oder vier Türen vor, die neueste Evolutionsstufe des Kombis (seit den 50er Jahren war man hier marktführend) stand als zweitüriger „Caravan“ oder als zweitüriger „Schnell-Lieferwagen“ ohne hintere Scheiben in der zweiten Reihe. Begeisterte Reporter krabbelten auf allen Vieren über die Pritschen und lobten wortgewaltig die umklappbare Rückbank. Für den sportlich ambitionierten Kunden, der Wert auf Komfort legt hatte man das schnittige Coupé im Programm – eine zweitürige Limousine mit flacherem und hinten abgeschrägtem Dach. Die etwas ungewöhnlichen Proportionen des Sportlers mit dem sehr langen Heck brachten ihm schnell den Spitznamen „Rasender Kofferraum“ ein, der seinem Erfolg aber keinen Abbruch tat.

Blick in den rasenden Kofferraum

Wer es ganz extravagant wollte konnte ein Cabrio bestellen, was bei Deutsch in Köln oder bei Autenrieth in Darmstadt aufgeschnitten wurde. Hier baute man auch bis August 1961 die Coupés, anschließend fertigte man das erfolgreiche Modell in Rüsselsheim. Auch das war eine kleine Sensation, zum ersten Mal in der Geschichte des Rekord ergänzte ein eigenes Werkscoupé die Modellpalette.

Der kleine Luxus

Schick und flott

Die sprichwörtliche Nähmaschinen-Technik wiederum blieb so wie immer, so wie gewohnt und so wie bewährt. Die Vierzylinder-Vorkriegskonstruktion aus dem Opel Olympia von 1937 mit kurzhubigen 1,5 Litern Hubraum (50 PS) oder 75 Mark teureren 1,7 Litern Hubraum (55 bzw. 60 PS) galt als unverwüstlich und drehte kräftig genug für deutsche Straßen. Der Traum von der Reise nach Italien oder Südfrankreich wurde hier noch weitestgehend mit Isettas, Messerschmitt Kabinenrollern oder Käfern gelebt. Vor allem die leistungsgesteigerte 60 PS Variante in Verbindung mit einer 4-Gang-Lenkradschaltung machte aus dem Rekord einen Kandidaten für die linke Spur. Das kam an. Genau 786.411 Exemplare verkaufte Opel in nur drei Jahren Produktionszeit vom P2, bevor er vom Rekord A abgelöst wurde.

Ein Motörchen – aber kräftig genug

Opel – der Zuverlässige

Und unser Re-Import? Außer ein paar neuen Benzinleitungen, einer neuen Benzinpumpe und einem neuen Heizungskühler lagen nur der obligatorische Ölwechsel und das regelmäßige Abschmieren der Achsen an. Der Segen der alten Technik, an die noch der „Olympia“ Schriftzug auf dem Handschuhfachdeckel erinnert, ist die robuste Überdimensionierung und die damit verbundene Unzerstörbarkeit.

Der Komfort der 60er Jahre

Man muss allerdings wissen, wie diese interpretiert werden muss. Auf der ersten großen Ausfahrt zum Alt-Opel-Treffen ließ das Coupé sich plötzlich nur noch in den 3. und 4. Gang schalten. Leicht panisch manövrierte Lange den Oldtimer quer durch Hamburg bis nach Dänischenhagen zurück, sah sich in einer Welt voller roter Ampeln und knabberte unablässig an seinen Fingernägeln, weil ein befürchteter Getriebeschaden richtig ins Geld gehen würde. Aber nein, „Opel – der Zuverlässige“ hatte lediglich eine M6 Schraube am Schaltgestänge losgeschüttelt. Das war’s.

Heavy Metal aus Rüsselsheim

Schlager der 60er

Danach wuchsen Vertrauen und Freude wie damals der begeisterte Käuferkreis, und Familie Lange führ den Rasenden Kofferraum gleich quer durch die Republik in den Sommerurlaub, fast wie damals in den südliebenden 60ern. Selbstverständlich pannenfrei. Zumindest was den Opel betrifft, Nadine selbst trug als Beifahrerin aber einen gewissen Kollateralschaden davon. Dieter Lange hört in seinem Auto kein Radio, in dem Coupé wird ausschließlich dem Deutschen Schlager der 60er aus der Konserve gehuldigt. Und nach vielen 100 Kilometern können „Pack‘ die Badehose ein“ und „Junge, komm‘ bald wieder“ einen schon ein bisschen verändern. Aber nun, da konnte der Opel nichts dafür.

Straßenszene aus den 60ern?

Heute selbstverständliche Extras waren damals Ausdruck einer gehobenen Klasse: Der P2 hatte immerhin ab Werk eine Frischluftheizung, Einzelsitze (statt einer Sitzbank) und Veloursteppiche (statt nacktem Metall oder Gummi), eine Lichthupe und ein Zweitonhorn sowie Rückfahrscheinwerfer. Klasse. Alle diese besonderen Sachen sind bei Hiscox gut versichert. Habt ihr schon auf den Link geklickt und mal geschaut? Als besonderes Gimmick zeigt Dieter Lange noch das vom Armaturenbrett aus über einen Bowdenzug bedienbare Kühlerrollo, mit dem sich im Winter eine kleine Markise vor den Kühler ziehen lässt und den kalten Wind außen vor lässt. Einfach und sehr wirksam. Aber vom kalten Winter in Kiel wird dieses Exemplar nicht viel mitbekommen. Der Slogan „Rekord Coupé – ein liebenswerter Wagen“ wird von Dieter Lange durchaus ernst genommen, bei Schnee und Eis bleibt der Wagen zu Hause. Denn da ist es doch immer noch am schönsten, singt Mutti in der Küche.

Sandmann

Ein Opel für Menschen mit Horizont

Opel Rekord P2 Coupé
Baujahr: 1961
Motor: 4 Zylinder Reihe
Hubraum: 1668 ccm (102 cui)
Leistung: 44 KW (60 PS)
Max. Drehmoment: 148NM
Getriebe: 4 Gang Lenkradschaltung
Antrieb: Hinterachse
Länge/Breite/Höhe: 4433mm/1616mm/1490mm
Beschleunigung 0-100km/h: ca. 20 s
Höchstgeschwindigkeit: ca 140 km/h
Wert: ca. 20.000€

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

8 Antworten zu „Ein Wagen, wie Sie ihn sich wünschen!“

  1. Reisetraktorfreak sagt:

    Uff

    Hatte ma gegoogelt.. Hatte im Sinn.. Einen 60er? Oppel Kapitän. Den runden in Amischlitten Style. Mit 16 in Schweden gesehen, in fetter geiler echter Rost Optik. Aehm. Reisst mich nimmer vom Stuhl, dafuer Geld extra zu finden.

    Auch den spaeteren Admiral, kuehle 80er Optik, Baustein Ecken? Mm mm..

    Selbst so ne echtee altee Corvette Stingray muss ich nich mehr ( extra) bzw ( fest) fuer arbeiten.

    Weil??

    Vermutlich.. Der KICK wech is, „damit kriegste jede die du willst. Die stehen dann Schlange .“ ne. War nie. Also nicht in. D. 🙂 ( NUR in Ami Filmen.. Kunst Stil.) nich eine coole geile Karre brachte das wat et solllttee. Perfekte suesse Frau fuer kommende Familie..

    Irritiert mich trotzdem, dass die tollen Freunde – Sex- Bagger- Bewerbungs Karren mich nich mehr angeilen..

    Hab 2 Tage überlegt ob ICH sowat noch gebrauchen kooeenteee. Ich glaub nich

    —-

    Mein Vanlife Reise Lebensmittelpunkt ohneWohnung Kfz wuerde mich noch motivieren, 2 bis 5 Felsen Geld IRGENDWIE zu organisieren ? Ja.. Aber Geld fuer Spielzeuge heb wi nimmer 🙂 und andere Lebens Philosophie, vamutlisch *denk

    Notiz. Hatte frueher alle Kohle. Ohne Arbeit. Durfte kein altes Auto habn. Too late!

    • Sandmann sagt:

      Na?
      Also ich kann nicht jedem deiner Sätze folgen, aber eins ist für mich sicher… wenn man jemals mit einer Corvette ALLE Bräute bekommen konnte, egal ob in den USA oder woanders, dann waren DAS vermutlich nicht die Bräute, die ich an meiner Seite haben wollte 😀 Aber die Geschmäcker sind ja verschieden.

      Und ja, Lebensphilosophien ändern sich. Aber momentan will ich noch immer ein wechselndes Auto zum Spielen haben. Ich bin noch nicht alt genug, um wirklich angekommen zu sein.
      In diesem Sinne
      Sandmann

  2. MainzMichel sagt:

    Was für ein schönes Auto!
    Für mich würde auch die viertürige Limousine gehen, ein Coupé muss es gar nicht sein.
    Auf der gerade beendeten Urlaubsrückfahrt habe ich einen „Schüsselloch-Käpitän“ überholt, auch ganz etwas Feines.
    Inzwischen mag ich Opel schon lange nicht mehr. Der letzte, der mir richtig gefiel, war der Monza. Und danach, als einzige Ausnahme, der Calibra.
     
    Adios
    Michael

    • Sandmann sagt:

      Ay Michael,
      ich habe in den 80ern den P2 mal bei einem Opelhändler in Plön, wo ich meine Teenagerzeit verbrachte, zum Verkauf stehen sehen. Keine Ahnung was der damals kosten sollte, aber ich war begeistert weil er so herrlich amerikanisch aussah. Daneben stand ein Cadillac Seville, der kam da irgendwie nicht ran 🙂
      Die letzten Opel auf meinem Schirm waren der Senator B mit Digi Cockpit und der E-Kadett. Aus Gründen. Inzwischen mag ich den Adam irgendwie gern. Aber das sind andere Welten.
      Bis bald auf einen Schluck T3 Bulli
      Sandmann

  3. Hi Jens, ja, krass!
    Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ich diese Ausführung überhaupt schonmal Live & in Farbe vor mir hatte. Limo ja, Kombi..hm, nicht sicher, aber der hier, eher nein.

    Ein wunderschönes Wägelchen mit echt spannenden Details. Keine Ahnung, ob das rein konstruktiv damals nicht anders ging, oder ob der Geschmack der Gen-Geber war, aber was mein Auge reizt, ist die hohe Gürtellinie, und das fast schon verhältnismäßig winzige Häuschen. Selbst die Radgröße ist für die Ausmaße klein. Schon seltsam, wie man sich an andere Proportionen gewöhnen kann. Mein erstes Auto war übrigens ein C-Kadett. Der sah proportional ja schon völlig anders aus, fast schon „modern“.

    In jedem Fall mal wieder was sehr Seltenes hast du da ausgegraben, klasse, klasse…!!

    Herzliche Grüße, Dirk

    • Sandmann sagt:

      Ay Dirk,
      auf mich wirken die lange Haube und der lange Kofferraum mit dem tatsächlich winzigen Häuschen dazwischen wie ein Lincoln MK V. Bei dem sitzt du auch recht beengt, dabei ist der sechs Meter oder so lang 😀 Ich mag die Proportionen auch, sie sind zwar ungewöhnlich aber stimmig. Anders als bei einem Multipla Fiat. Da sind sie nur ungewöhnlich. Und hässlich. Aber das ist eine andere Geschichte 😉
      Sandmann

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