Pallas KRACHBUMMS!

Lalü mit Lichtorgel. Scheiße.

Lalü mit Lichtorgel. Scheiße.

Papaaaaa? Können wir meine CD hören bis zur Kita? Ja? Jaaa?“ Na klar. Der Morgen ist trüb und nass, da massiert ein bisschen bekloppte Musik aus dem CD-Wechsler das Gemüt. Sandmädchen© Nummer 4 singt laut mit 🎶 und erfreut sich lachend ihres jungen Lebens, während vor uns der Berufsverkehr auf der zweispurigen B 76 durch Kiel wie üblich zum Stehen kommt. Rechte Spur, 70… 60… 40… langsam bremsen… 20 und… Stillstand. Nicht schlimm, wir haben genug Zeit. Im linken Seitenspiegel wird auf der linken Spur ein weißes Auto immer größer. Dafür dass hier alles stillsteht ist der viel zu schnell! Ich quetsche noch ein „WOOOAAHHHH!!!“ raus als der Wagen keine 10 Meter schräg hinter uns eine Vollbremsung macht, auf der nassen Straße mit blockierten Reifen rutscht und ausbricht und uns beiden scheppernd und berstend in die Seite kracht. Scheiße. WAS – FÜR – EINE – SCHEISSE!

Ich schnalle mich ab und drehe mich zu meiner Tochter hinten auf dem Kindersitz um. Alles okay? Alles gut?? Sag was sag was sag was?? Ihr ist nichts passiert, aber sie guckt mich mit weit aufgerissenen Augen an. Dann sagt sie ganz leise „Papa…….“ und fängt bitterlich an zu weinen. Schräg vor uns steht ein weißer Golf am Ende einer Spur aus Plastiksplittern. Ich rede beruhigend auf mein verzweifeltes Kind ein, schalte den Warnblinker an und fahre das Baguette™ auf den rechten Seitenstreifen.

Alter… mein schönes Auto!!

Im Golf vorn rührt sich nichts. Gar nichts. Jemineh. Wegen der Vielzahl der Emotionen gebe ich dem kleinen Sandmädchen© die „Klapperbox“ randvoll gefüllt mit Haribo, Nimm2 und anderen bunten Dingen. Bei Landmarken wie Windrädern oder Brücken schüttel ich die und dann… ach egal jetzt. Die Tränen werden kleiner. Ich frage sie, ob ich mal aussteigen kann, das andere Auto ist in uns reingebummst und ich muss da vorn jetzt mal mit jemandem reden und vielleicht sogar die Polizei anrufen. Ich darf. Aber nicht so lange.

Blechschaden kontra Plastikschaden

Die anderen Berufspendler fahren langsam um uns rum. Es fängt wieder an zu regnen. Vorn bewegt sich noch immer nichts. Ohgottogott, was für ein wirklich beschissener Morgen. Beim Aussteigen sehe ich meinen linken Seitenspiegel, also… eigentlich sehe ich ihn nicht denn er ist über die Straße vaporisiert. Die Fahrertür ist an der A-Säule eingeknickt, der Kotflügel gestaucht, der Blinker zerborsten und der Stoßfänger angerissen. Das krachende, berstende Geräusch klingelt immer noch in meinem Kopf. Ich laufe zum anderen Auto und öffne vorsichtig die Fahrertür. Drinnen sitzt ein alter, ein wirklich sehr alter Mann und wirkt erschüttert. „Ist Ihnen etwas passiert?“ frage ich ihn. Nein nein, alles gut. Aber ob ihm klar sei dass er mir gerade seitlich ins Auto gekracht ist? Er möge bitte auch einmal auf den Standstreifen fahren, und dann schauen wir mal. Er guckt mich irrlichtern an. Dann fährt er langsam rechts ran.

SO war der Morgen nicht geplant

Der arme Mann scheint geträumt zu haben, auf jeden Fall hat er das innerstädtische Stauende viel zu spät gesehen. Gut dass nicht noch viel Schlimmeres passiert ist. Ich bitte ihn, mal seine Papiere zu suchen und laufe besorgt zurück zu meiner kleinen Begleiterin, weil ich ihr versprochen habe, nicht so lange draußen zu bleiben. Prioritäten setzen. Die sitzt hinten, mümmelt Süßigkeiten und malt kleine Bilder auf die inzwischen beschlagene Seitenscheibe. „Papa du musst bei der Kita anrufen und erzählen, dass wir einen Unfall haben!“ Das stimmt. Vor allem dass wir später kommen. Und wenn ich mir anschaue, in welchem Zeitlupentempo mein Unfallgegner sich bewegt rufe ich lieber auch einmal das nächste Polizeirevier an.

Plastik-Golf vorn…

In dem unsicheren Blick des alten Mannes steckt vor allem Reue. Ich glaube, es tut ihm wahnsinnig leid, was passiert ist. Laut seinem Personalausweis ist er… 89 Jahre!! … alt 😳 Mir ist jemand in meinen Citroën XM gekracht, der den 2. Weltkrieg noch miterlebt hat! Wow. Ich klappe mein Warndreieck auf, auch wenn die beiden Autos relativ sicher auf dem breiten Seitenstreifen zwischen Autobahnauffahrt und -abfahrt stehen. Dann rufe ich das nächste Polizeirevier an, erzähle den Beamten was passiert ist und dass wir keinen Personenschaden haben. Aber dass ich es begrüßen würde, wenn sie mal herkämen und ein wenig bezeugende Präsenz zeigen. Allein schon weil auf der Straße viele kleine funkelnder Trümmer liegen. Erst jetzt fällt mir auf, dass mein linkes Spiegelglas auf meiner Heckklappe liegt. Wie… ist das da hin gekommen?

… und Plastik-Golf hinten.

Prioritäten eines Unfalls

Wegen der fortschreitenden Zeit rufe ich bei unserer Kita an und deute an, dass wir heute wohl erst nach dem Morgenkreis und dem Frühstück kommen werden. Alle sind froh, dass meiner kleinen Beifahrerin nichts passiert ist. Ich auch, sehr, und deshalb geht mein drittes Telefonat informell und beruhigend auch zu ihrer Mutter. Der Regen läuft mir kalt den Nacken herunter, und ich beginne zu frieren. Ich mache Fotos von den Autos, den Schäden, dem Spiegelglas auf der Heckklappe (wirklich absurd), der gesamten Unfallstelle und den Papieren des alten Mannes. Eine Versicherungskarte hat er nicht dabei, zumindest findet er sie nicht. Immer wieder wühlt er in seinem Portemonnaie und murmelt, wie furchtbar das alles ist.

Das… muss ich nicht verstehen.

Rück-Sichtslos, den Spiegel betreffend

Als die beiden Polizeibeamten blau blinkend anrollen regnet es wie aus Eimern. Der alte Mann und ich haben inzwischen alle vorhandenen Daten ausgetauscht. Einer der beiden Polizisten erklärt mir, dass sie eigentlich bei solch weniger schlimmen Unfällen gar nicht mehr anrücken und nur hier sind, weil ein Kind involviert ist und Trümmer auf der Straße liegen. Dann schreibt er einen kurzen Bericht, aus dem hervorgeht, dass der alte Mann in seinem Golf augenscheinlich der Verursacher des Unfalls ist und ihm nun ein Bußgeld droht. Sein Kollege fegt derweil die Trümmer auf den Seitenstreifen. Das Sandmädchen© ist inzwischen mit viel Zucker und Farbstoff wieder hergestellt, und was uns betrifft kann der Tag nun seinen weiteren Lauf nehmen. Wenngleich ohne Rück-Sicht, zumindest auf der Fahrerseite. Mein armes Autoooooo 😢

Gerade alles neu – wieder alles kaputt.

Auch unser Unfallgegner hat sich wieder berappelt und jemanden zu Hause angerufen. Nachdem die Cops abgezogen sind frage ich ihn noch, ob er klarkäme. Ja, er würde nun erstmal nach Hause fahren. Ich erkläre ihm, dass ich mich bei seiner Versicherung (so ich die jemals herausbekomme) melden werde, dass aber ansonsten alles gut sei. Ich kicke noch ein paar golfweiße und citroënschwarze Splitter von der Straße ins Gras und steige in mein kaltverformtes Auto. Es sind diese Momente im Leben, wo ich ein wenig demütig werde. Meine kleine große Liebe hinten im Kindersitz hat inzwischen die halbe Klapperbox leergefuttert und rülpst bunte Wölkchen in den Fond. Heute ist das okay. Ich fahre los. „Papa der Citroën hat uns gut beschützt, echt, ich gebe ihm nachher mal einen Kuss auf die Tür ja?“ Und jetzt kullern mir endlich die Tränen über die Wangen.

Und nochmal Werkstatt.

Alles auf Anfang

Jetzt muss ich einen Plan machen, wie ich meinen eben gerade erst frisch renovierten französischen Gleiter wieder gerichtet bekomme. Genaugenommen darf ich ohne den Seitenspiegel gar nicht fahren, aber das ignoriere ich geflissentlich. Gutachter, Versicherung, Werkstatt, eigentlich habe ich gerade ganz andere Dinge im Kopf 🙄 Mein früheres Ich hätte sich jetzt die Hände gerieben, nach Kostenvoranschlag abgerechnet und alles preiswert irgendwie zusammengedengelt. Der gereifte Sandmann will an so einem Schaden nichts verdienen, der will vor allem, dass sein Auto wieder heile gemacht wird. Ihr werdet lesen wie es weiter geht. Ich fahre jetzt mal zur Nikolaikirche am Alten Markt und zünde eine Kerze an. Denn ich bin noch immer da, und meine kleine Tochter ist es auch. Es gibt Unfälle, die ganz anders ausgehen. Danke 🙏 nach wohin auch immer, an wen auch immer ihr glauben möget.

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

Eine Antwort zu Pallas KRACHBUMMS!

  1. Bronx sagt:

    Man(n), man(n), du lässt aber auch nichts aus! Gott sei Dank ist keinem von euch etwas passiert. Das Baguette kann man richten. Wobei ich mal vermute die Geschichte ist auch schon wieder in der Pipeline gereift.

    Was nichts an obiger Aussage ändern soll. 😉

    Gruß aus dem Maisland.

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